Julius Stubbe – Ortsvorsitzender der KPD

Julius Stubbe, ca. 1930er Jahre (Sammlung: Familie Jacobs)
Die Gebrüder Karl (l.) und Julius Stubbe, ca. 1930er Jahre (Sammlung: Familie Jacobs)
Julius Stubbe mit Großnichte Maren Jacobs vor dem Volkshaus, ca. Ende der 1940er Jahre (Sammlung: Familie Jacobs)
Pinneberger Tageblatt, 31.01.1920
Roter Frontkämpferbund, Kieler Straße Richtung Bilsen, 1929 (Sammlung: Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg)
Ehemaliger Wohnsitz von Julius Stubbe in der Querstraße (Foto: Jörg Penning)
VVN-Bezirksstelle Quickborn mit den Unterschriften von Julius Stubbe und Friedrich Ehmke
Julius Stubbe als Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkrieges (Sammlung: Matthias Fischer-Willwater)
5. März 1933
Querstraße 1, Quickborn

Julius Stubbe gehörte mit zu den profiliertesten Quickborner Kommunalpolitikern aus der Zeit der Weimarer Republik, aber auch der Nachkriegszeit. Sein politisches Engagement als Kommunist bestimmte einen Großteil seines Lebens, auch wenn dieses, insbesondere im Nationalsozialismus, mit massiven Erschwernissen, Benachteiligungen und Freiheitsentzug verbunden war. Viele Zeitzeugen erinnerten sich noch lebhaft an den mit 1,66 Metern Körpergröße und mäßiger Statur[1] klein und schmächtig wirkenden politischen Aktivisten: „Er war ein aufrechter Mann, er hat seine Meinung gesagt. Die Meinung von ihm ist von allen auch akzeptiert worden. (…) Er war ja hier in der Gemeindepolitik tätig und wurde von allen respektiert.[2]Für seine Idee hat er gelebt und ist damit gestorben. Er war Kommunist durch und durch, da gab’s gar nichts.[3]Was jetzt so mit der DDR und Russland passiert ist, das hätte er nie begreifen können. Er war für die Arbeiterklasse, um die zu verbessern. Diese Unterdrückung war nie in seinem Sinne. (…) Er musste ja immer seine Nase überall reinstecken. Wo Ungerechtigkeit war, da war er da. Er konnte ja auch reden wie ein Buch.“ [fn]Zeitzeugengespräch mit Minna S., Pansdorf 12.05.1994[/fn] „Ich weiß, dass sie [die Nationalsozialisten] den oft als Zielscheibe benutzt haben.[4] Auch seine stärksten Gegner kamen nicht umhin, ihm einen gewissen Respekt entgegenzubringen. So berichtete der Nationalsozialist und Amtsvorsteher der Ortspolizeibehörde Wilhelm Kolz in einem Schreiben vom 04.12.1933: „Stubbe ist ein äusserst geschickter kommunistischer Agitator mit suggestiven Einfluss auf seine Anhänger, und ich habe es immer bedauert, dass er an verkehrter Front kämpfte.[5]

Julius Stubbe wurde am 22. Juli 1891 als Sohn des Arbeiters Martin Stubbe in Wilhelmsburg, damals zugehörig zum Kreis Harburg, geboren und wuchs mit seinem Bruder Karl und seiner Schwester Elisabeth in Hannover auf. Nach dem Besuch der Volksschule, die er früh verließ, erlernte er den Beruf des Heizers.[6] Im Jahr 1908 verzog er nach Quickborn[7], wo er in seinem Beruf eine Anstellung in der Margarinenfabrik am Elsensee fand.[8] Mit ihm nach Quickborn verzog auch sein Bruder Karl, der ebenfalls in der Margarinenfabrik arbeitete und sich gewerkschaftlich engagierte[9] und wie sein ein Jahr älterer Bruder später der KPD beitrat.[10]

Im Ersten Weltkrieg diente Julius Stubbe als Feldwebel.[11] Während der Kriegszeit verehelichte er sich mit Emma Bertha Maybaum, die aus der ersten Ehe die Söhne Werner und Ewald mit in die Familie brachte[12] und bis zu ihrem Tod im Jahr 1951 mit Julius Stubbe verheiratet war.[13] Wie viele andere Arbeiter gab das Kriegsende auch für Julius Stubbe und seine Frau einen treibenden Impuls, sich politisch zu engagieren und die neuen Verhältnisse im Sinne der Arbeiterbewegung mitzugestalten. Sie schlossen sich der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) an,[14] die sich während des Ersten Weltkrieges aus Kritik an dem Kriegskurs der SPD von der Partei abspaltete. Als sich Anfang der 1920er Jahre der Großteil der USPD-Anhänger der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) anschlossen, werden vermutlich auch die Stubbes zu der neuen Partei gewechselt sein.[15] Seit 1926 war Julius Stubbe politischer Leiter der anfangs noch kleinen KPD-Ortsgruppe Quickborn. Neben seiner Tätigkeit für die KPD war er auch Mitglied in den kommunistischen Nebenorganisationen Roter Frontkämpferbund (RFB), Rote Hilfe und Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition. Bis zum Verbot des RFB im Jahr 1928 war er auch zeitweise dessen örtlicher Leiter, anschließend Verantwortlicher des Kampfbundes gegen den Faschismus.[16] Wie viele andere Aktivisten aus der sozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung wendete sich auch das Ehepaar Stubbe von der Religion ab und trat gemeinsam Anfang 1929 aus der evangelischen Kirche aus.[17] Mit der Schließung der Margarinenfabrik am Elsensee 1929 verlor Julius Stubbe seine Arbeit und musste mit seiner Familie von Wohlfahrtsunterstützung mit wöchentlich 12,50 Mark leben.[18]

Bei der Gemeindevertreterwahl im Jahr 1929, zu der die KPD im Ort erstmals antrat, erhielten die Kommunisten mit 127 Stimmen 11,8 Prozent und damit einen von zwölf Sitzen im Kommunalparlament, den Julius Stubbe für seine Partei einnahm.[19] In der Gemeindevertretung wirkte er im Fürsorgeverband, in der Bau- und Wegekommission und in der Gesundheitskommission mit.[20] Bei der nächsten Gemeindevertreterwahl im Jahr 1931 konnte die KPD mit 194 Stimmen 16,6 Prozent erzielen und zwei Vertreter entsenden. Neben Julius Stubbe nahm nun auch der Modelltischler Johannes Schwank einen Sitz ein.[21] Außerhalb der Gemeindevertretung war Julius Stubbe im Vorstand der Baugenossenschaft[22] und Vorsitzender der Erwerbslosenkommission.[23]

Gerade durch die letztere Funktion gewann er ein gewisses Ansehen in der Bevölkerung, die nach der endgültigen Werkschließung der Margarinenfabrik im Jahr 1929 von großer sozialen Not und Arbeitslosigkeit, betroffen war. Es war der Erwerbslosenausschuss, der sich für die Einrichtung einer Volksküche in der Marktstraße einsetzte, die mit kommunalen Mitteln und privaten Spenden betrieben wurde und ab Dezember 1930 zu günstigen Preisen Essen an die zahlreichen Arbeitslosen und Wohlfahrtsempfänger ausgab.[24] Hier wirkte Julius Stubbe in der Kommission der Volksküche mit.[25]

Aufmerksamkeit erhielt Julius Stubbe zudem über eine in der Presse als „Schweineversteigerungsrevolte“ bekannt gewordenen Aktion im Januar 1932:[26] Als bei einem verschuldeten Landwirt ein Schwein zwangsversteigert werden sollte, sprach Julius Stubbe vor Auktionsbeginn zu der versammelten Menge und rief dazu auf, kein Gebot abzugeben, da es jedem in wenigen Tagen genauso ergehen könnte. Die anwesenden Landjäger wiesen ihn daraufhin an, die Rede abzubrechen, dem er jedoch nicht nachkam, woraufhin er festgenommen wurde. Mehrere Personen umringten nun die Ordnungshüter und forderten die Freilassung. Nur mit der Androhung von Waffengewalt gelang es, Julius Stubbe abzuführen. Die Auktion musste dennoch abgebrochen werden, da keiner der Anwesenden ein Angebot abgab. Aufgrund dieses Vorfalls wurde er später wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu zwei Wochen Gefängnis verurteilt.[27] Drei Wochen später geriet Julius Stubbe erneut in Konflikt mit den Landjägern. Anlass war die Gründung der Ortsgruppe des Kommunistischen Jugendverbandes, der nach Auslegung der Polizei ein nicht angemeldeter Umzug durch den Ort vorausgegangen war. 21 Kommunisten wurden daraufhin vor dem Altonaer Schöfengericht angeklagt, wobei die Beschuldigung gegenüber Julius Stubbe vor Gericht keinen Bestand hatte und er freigesprochen wurde.[28] Auch eine weitere Aktion verlief glimpflich für Stubbe: Als am 7. Juli 1932 Quickborner Erwerbslose vor dem Landratsamt Pinneberg gegen die Kürzung der Wohlfahrtsunterstützung protestierten und sich eine nicht angemeldete Demonstration durch Pinneberg bildete, löste die Polizei die erregte Menge unter Einsatz der Schusswaffe auf, bei der es vermutlich auch Verletzte gab. Mehrere Kommunisten, darunter auch Julius Stubbe, den die Polizei mit Gummiknüppeln niedergeschlagen hatte, wurden festgenommen und vor Gericht gestellt. Auch dieser Prozess endete für Stubbe mit einem Freispruch, da, wie sich im Verfahren zeigte, er deeskalierend auf die Menge einzuwirken versuchte.[29]

Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten begann nach und nach der Verfolgungsdruck gegen Kommunisten zuzunehmen, sodass die größte Vorsicht geboten war. Die Tochter von Karl Stubbe erinnerte sich noch, wie ihr Vater und Julius Stubbe bei ihnen im Haus in der Heinrich-Lohse-Straße unter dem Waschkessel politische Schriften und Bilder verbrannten. Besonders erinnern konnte sie sich an einen Gummiknüppel, der ebenfalls ins Feuer geschmissen wurde, wodurch der Gestank von verbranntem Gummi noch in der näheren Umgebung auffällig war.[30]

Julius Stubbe kandidierte am 12. März 1933 noch auf der Liste der KPD für die vorgezogenen Neuwahlen für den Kreistag und die Gemeindevertretung.[31] In Quickborn erzielte die inzwischen verfolgte und bedrängte KPD trotz aller Einschüchterung noch 148 Stimmen und damit 8,2 Prozent.[32] Formal erhielt die KPD mit Julius Stubbe damit einen Sitz in der Gemeindevertretung, der jedoch, wie alle anderen Sitze für die Kommunistische Partei, nachträglich aberkannt wurde.[33] Er hätte auch ohnehin das Mandat  nicht ausüben können, da er bereits am 5. März 1933, dem Tag der Reichstagswahl, verhaftet wurde. Vorausgegangen war die Erschießung des 19-jährigen Kommunisten Paul Warnecke durch den Nationalsozialisten Gustav Jeske in der Nacht vom 4. auf den 5. März 1933 in einer Grünanlage unweit des Wohnhauses der Familie Stubbe. Die Landjäger nahmen daraufhin nicht etwa den Täter fest, sondern Julius Stubbe, der sich an diesem Abend mit ca. 15 Genossen in seiner Wohnung in der Querstraße / Ecke Harksheider Weg aufhielt und am Radio die Nachrichten verfolgte. Seine Nichte Minna S. erinnerte sich noch an die Verhaftung am frühen Morgen: „Ich weiß, dass ich mit meiner Schwester im Kirschbaum saß und da haben sie ihn abgeführt. Wir hatten ja noch ein Messer mit und da hatte ich mir hier [zeigt auf die Handfläche] noch eins reingehauen. Wir wollten ja unseren Onkel Julius befreien, wie ja Kinder nun so sind. Und da bin ich abgerutscht und da ist das Ding hier tüchtig reingehauen. Da habe ich dann die Narbe mein ganzes Leben.[34]

Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fand die Polizei Schriften und insbesondere ein Schreiben an die SPD-Ortsgruppe, in dem die KPD eine Zusammenarbeit anbot, um in einer „Einheitsfront“ den Nationalsozialismus abzuwenden. Wenig später, nachdem einige Nazis den Kommunisten Werner Hühnemörder unter Gewaltanwendung zu Aussagen zwangen, wurden in einem Dunghaufen nahe des Wohnsitzes von Stubbe sieben versteckte Revolver gefunden. Julius Stubbe wurde als „Schutzhäftling“ zunächst kurz in ein Gefängnis in Rellingen und dann in das Gerichtsgefängnis in Elmshorn gebracht. Von hier aus verlegt man ihn in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit.[35] Am 23. Januar 1934 verurteilte das Kammergericht Berlin den KPD-Ortsvorsitzenden wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis.[36] Die Strafverbüßung erfolgte nach einer kurzen Inhaftierung im Strafgefängnis Berlin-Tegel in den Strafgefangenenlagern Oberlangen und Lingen im Emsland.[37] Hier mussten die zumeist politischen Häftlingen unter KZ-ähnlichen Umständen in der Moorkultivierung arbeiten. Ein Gnadengesuch seiner Frau blieb erfolglos.[38] In Quickborn unterstellten ihm die Nationalsozialisten, dass er als Leiter der Volksküche Gelder unterschlagen hätte;[39] eine damals übliche Methode, um Funktionäre der Arbeiterbewegung zu diskreditieren. Das von der Baugenossenschaft errichtete Haus in der Querstraße wurde ihm weggenommen und seine Frau und Schwiegermutter zum Auszug gezwungen.[40]

Im September 1935 wurde Julius Stubbe aus dem Strafgefängnis Lingen entlassen und kehrte zu seiner Familie nach Quickborn zurück.[41] Vor der Haftentlassung hatte er ein Schweigegebot zu unterzeichnen, damit nichts über die Haftbedingungen nach außen drang.[42] Trotzdem wussten seine Nichten über die Zustände im Lager bescheid. Als die Töchter von Karl Stubbe den Vater drängten, an den Veranstaltungen der Hitler-Jugend teilnehmen zu wollen, erinnerte sich Minna S.: „Als der Onkel [Julius Stubbe] zu Besuch war, hat der Vater gesagt: ‚Jetzt ist genug, ich will euch endlich einmal zeigen was los ist.‘ Und dann hat mein Onkel uns seinen Rücken gezeigt. Dass war ja alles zerschlagen. Die mussten ja immer auf den Bock.[43]

In Quickborn stand Julius Stubbe auch nach der Strafentlassung unter polizeilicher Beobachtung. Einen gewissen Schutz dürften die familiären Verhältnisse mit sich gebracht haben, denn der Bruder Karl war mit der Schwester des NSDAP-Ortsgruppenleiters, Willi Bendorf, verheiratet.[44] Nach der Haftentlassung arbeitete Julius Stubbe in dem Handwerksbetrieb von Albrecht Schmidt in der Pinneberger Straße als Heizungsmonteur.[45] Albrecht Schmidt, Mitbegründer der NSDAP-Ortsgruppe Quickborn,[46] kannte Julius Stubbe bereits als einstigen Arbeitskollegen von der Margarinenfabrik am Elsensee. Im Zweiten Weltkrieg wurde Julius Stubbe noch einmal zur Wehrmacht eingezogen und zur Kriegsgefangenenbewachung eingesetzt.[47]

Nach der Zeit des Nationalsozialismus begann er sich rasch wieder politisch zu engagieren: „Er fing dann auch gleich wieder mit den Flugblättern und alles an. Meine Neffen haben sie dann auch ausgetragen. “ [48] und eine weitere Zeitzeugin: „Wenn 1. Mai war, hat er immer die Reden gehalten.[49] Er baute erneut die KPD-Ortsgruppe auf und wurde wieder deren Ortsvorsitzender.[50] Die britische Militärregierung berief ihn 1945 in die Gemeindevertretung.[51] Julius Stubbe gehörte zudem neben Walter Buck (SPD) und Johannes Kölln (CDU) zu den ersten drei Abgeordneten des Pinneberger Kreistages aus Quickborn.[52] Er wirkte anfangs in der Arbeiterwohlfahrt mit[53] und übernahm erneut die Leitung der wiedereröffneten Volksküche, die sich nun im „Volkshaus“ in der Querstraße befand, [54] wo er eine Wohnung bezogen hatte.[55] Als örtlicher Verantwortlicher für die Betreuungsstelle des Komitees ehemaliger politischer Gefangener kümmerte er sich um die Opfer des Nationalsozialismus.[56] Im Jahr 1964 verstarb Julius Stubbe mit 73 Jahren in Quickborn.[57]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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