Parteiaufbau der NSDAP – Die „Zelle 07“

Bescheinigung des NSDAP-Ortsgruppenleiters für Hans Klingler, um bei dem Kaufmann Brammann ein "Braunhemd" zu seiner Uniform als "Poitischer Leiter" beziehen zu können (Stadtarchiv Quickborn, Ordner Bezugsscheine Brammann)
Block- und Zellensytem der NSDAP (Reichsorganisationsleiter der NSDAP: Organisationsbuch der NSDAP. 4. Auflage. München 1937.)
1. Dezember 1930
Bahnstraße, Quickborn

Eine umfassende „Betreuung“ der NSDAP-Parteimitglieder und nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten auch aller übrigen „Volksgenossen“ erlangte die NSDAP durch ihren Parteiaufbau mit der Einteilung in Zellen und Blöcken.  Eine Zelle bestand hierbei nach den Parteivorgaben aus vier bis acht Blöcken und ein Block wiederum aus 40 bis 60 Haushalten. Jeder Zelle und jedem Block stand jeweils ein Zellen- bzw. Blockleiter vor, der dem Ortsgruppenleiter unterstellt war. Zusammen mit diesem und dem engeren Mitarbeiterstab der NSDAP-Ortsgruppe bildeten die Block- und Zellenleiter vor Ort das Korp der Politischen Leiter der nationalsozialistischen Partei. Um die Arbeit der Blockleiter noch zu erleichtern, gab es des Weiteren die Möglichkeit Blockhelfer einzusetzen, die für acht bis 15 Haushalte zuständig waren.[1]

In der Landgemeinde Quickborn war die NSDAP-Ortsgruppe in sieben Zellen eingeteilt, wobei die Ortsteile Quickborn-Renzel und Quickborn-Heide jeweils eine Zelle bildeten. Die Zellengröße variierte von 67 bis 287 Haushalten, was 250 bis 1.000 Einwohner entsprach.[2] Angaben über die Anzahl der Blöcke lassen sich zu Quickborn nicht machen. Werden jedoch die Vorgaben des Reichsorganisationsleiters über den Parteiaufbau zur Grundlage genommen, so dürften in der Landgemeinde zwischen 19 und 29 Blöcke bestanden haben, wobei auf jedem Blockleiter 140 bis 215 Einwohner kamen.[3]

Parteizelle der NSDAP Gebietsgliederung Zellenleiter
Zelle 1 Wohngebiet Renzel Karl Röhrs[4]
Zelle 2 Wohngebiet nördlich der Pinneberger Straße und westlich der Kieler Straße Heinrich Kruse[5]
Zelle 3 Gebietseinteilung unbekannt Zellenleiter unbekannt
Zelle 4 Wohngebiet südlich der Bahnhofstraße und östlich der Kieler Straße Wilhelm Witt[6]
Zelle 5 Wohngebiet östlich der Kieler Straße bis zur Gronau und nördlich der Bahnhofstraße Paul Hebold[7]
Zelle 6 Gebietseinteilung unbekannt Zellenleiter unbekannt
Zelle 7 Wohngebiet Quickborn-Heide Hans Klingler[8]

Zu den Aufgaben der Block- und Zellenleiter gehörte die Koordination mit den anderen Parteifunktionären in ihrem „Hoheitsgebiet“, mit denen sie sich in regelmäßigen Zusammenkünften auszutauschen hatten. Zugleich fanden Block- und Zellenabende statt, bei denen der Kontakt der Partei zu den „Volksgenossen“ gepflegt und neben  politischen Themen auch eine gesellige Umrahmung zur Festigung der „Volksgemeinschaft“ erwünscht war. Die Politischen Leiter kassierten Mitgliedsbeiträge von ihren „Parteigenossen“ ab, warben für die NS-Verbände, verkauften Schulungsmaterialien und leiteten parteiamtliche Mitteilungen weiter. Im Krieg erweiterte sich ihr Betätigungsfeld durch die Verteilung von Lebensmittelkarten, der Kontrolle von Verdunkelungsmaßnahmen zum Schutz vor feindlichen Fliegern und der Überwachung der ausländischen Zwangsarbeiter. Insbesondere die Beobachtung der „Volksgenossen“ war eine wesentliche Funktion ihrer Tätigkeit. Sie beobachteten die Spendenbereitschaft bei Haussammlungen, das Flaggen an nationalen Feiertagen und gaben Auskünfte bzw. fassten Beurteilungsberichte über die politische Zuverlässigkeit der in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnenden Menschen. Hilfreich für die Arbeit der Block- und Zellenleiter war das Führen einer Block- bzw. Zellenliste, in denen die in ihrem „Hoheitsbereich“ wohnenden „Volksgenossen“ mit Namen, Geburtsdatum, Beruf und Zugehörigkeit zur Partei und anderen NS-Verbänden erfasst wurden.[9]

Einer der Quickborner Zellenleiter war der Arbeiter Hans Klingler aus der Bahnstraße, der für das „Hoheitsgebiet“ Quickborn-Heide zuständig war. Klingler wurde 1883 als Sohn eines Landwirts und Gemeindevorstehers in Schäftersheim in Würtemberg geboren. Im Anschluss an die Volksschule machte er zunächst eine Bäckerlehre, wechselte dann aber in den Berufsstand des Gastwirts. Nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg war er wiederum als Arbeiter in verschiedenen Fabriken tätig, so auch in Quickborn, wo er sich 1922 niederließ. Bis zur Stilllegung des Werkes im Jahr 1929 arbeitete er zuletzt in der Margarinenfabrik Thörl und blieb anschließend vier Jahre arbeitslos.[10] Der NSDAP trat Hans Klingler am 1. Dezember 1930 mit 46 Jahren bei.[11] Ein Jahr später schloss er sich auch der SA an und nahm hier die Funktion des Scharführers ein.[12] Nach einer erst dreimonatigen Parteimitgliedschaft kandidierte er bereits für die NSDAP zur Gemeindevertreterwahl,[13] blieb jedoch zunächst erfolglos. Seine große Zeit kam zwei Jahre später bei der nächsten Kommunalwahl 1933, die nicht mehr unter demokratischen Bedingungen stattfand. Auf Platz 5 der „Nationalen Einheitsliste“ erhielt er ein Mandat in der Gemeindevertretung, wo er bis mindestens 1937 verblieb.[14] Auch beruflich wirkte sich die „nationale Revolution“ positiv auf Klingler aus. Seine Arbeitslosigkeit konnte durch eine Anstellung in der gleichgeschalteten Ortskrankenkasse behoben werden.[15] Während der Machtübernahme der Nationalsozialisten wirkte Klingler im „Haus- und Werkschutz“ mit, ein aus SA-, SS- und Stahlhelm-Mitgliedern bestehender Trupp, der in Quickborn die Funktion der Hilfspolizei ausübte und gegen Anhänger der Arbeiterparteien vorging.[16] 1935 übernahm er das Amt des Leiters der Zelle 07 Quickborn-Heide von seinem Vorgänger Richard Brunck.[17] Erhalten geblieben ist aus dieser Zeit ein Beurteilungsbericht, den Klingler in der Strafsache gegen den Bewohner Johannes Bolze anfertigte. Bolze hatte sich angeblich in staatsfeindlicher Weise gegenüber seinen Mietern geäußert und wurde bei der Ortspolizeibehörde angezeigt. Der Amtsvorsteher der Ortspolizeibehörde, Wilhelm Kolz, ließ wiederum über den NSDAP-Ortsgruppenleiter, Willy Bendorf, Erkundigungen über Bolze einholen. Da Bolze im Zuständigkeitsbereich von Klingler wohnte, wies Bendorf seinen Zellenleiter an, einen entsprechenden Beurteilungsbericht anzufertigen, der dann der Stapo Kiel zur Verfügung gestellt wurde. Klingler bewertete Bolze in seinem Bericht als „Gegner der N.S.D.A.P.“ und merkte an „Ich kenne Bolze und [es] ist mir seine Lebensweise ziemlich bekannt. Um aber gewissenhaft und [um] kein Vorurteil zu tätigen, habe ich bei P.g. [Parteigenosse] Artur Krahn, der 4 Monate bei V.g. [Volksgenosse] Bolze wohnte, Auskunft eingeholt. Diese Auskunft deckt sich … mit dem Urteil, das ich persönlich über Bolze abgeben muß. (…) Da V.g. Bolze das erste Gebot der N.S.D.A.P. Allgemeinwohl geht vor Eigenwohl so kraß in den Hintergrund drängt … ist er wohl als Gegner der N.S.D.A.P. zu bezeichnen.[18]

Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurde er wegen seiner politischen Belastung auf Verlangen der britischen Militärregierung als Angestellter entlassen.[19] Das Entnazifizierungsverfahren, dem sich Klingler zu unterziehen hatte, urteilte milde. Es stufte ihn in die Gruppe IV als „Mitläufer“ ein.[20] Er wohnte weiterhin in der Bahnstraße und war zuletzt als Landwirt tätig.[21]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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