Einziehung „jüdischen Vermögens“ – das Grundeigentum des Johann Kaum / Brück

Im Juli 2019 wurde in Erinnerung an Johann Brück im Mundsbuger Damm 46 in Hamburg-Uhlenhorst, der letzten freiwilligen Wohnanschrift vor seiner Festnahme, ein STOLPERSTEIN verlegt (Foto: Jörg Penning, Hamburg 2020)
12. September 1942
Dreibeekenmoorweg, Quickborn

Im Dreibeekenmoorweg[1]  hatte der Arzt Johann Kaum mit seiner Frau und Stieftochter ein ca. acht Morgen großes Grundstück mit einem Wohngebäude, das von der Familie als Wochenendhaus genutzt wurde und in dem die Schwiegermutter lebte.[2] Die Familie Kaum selbst wohnte in Hamburg im Mundsburgerdamm 46, wo unweit entfernt Johann Kaum seine Arztpraxis betrieb. Ein Zerwürfnis einer außerehelichen Liebesaffäre führte zu polizeilichen Ermittlungen, in denen sich herausstellte, dass Johann Kaum unter einem falschen Namen in Hamburg als Arzt praktizierte. Sein wirklicher Name war Johann Arthur Josef Brück. Er wurde 1891 in Wien als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren und eröffnete 1933 in Hamburg unter falscher Identität eine Arztpraxis als Heilpraktiker. Da seine Eltern ursprünglich jüdischen Glaubens waren, wurden die außerehelichen Beziehungen des Johann Kaum alias Johann Brück als „Rassenschande“ verfolgt.[3] Aus nationalsozialistischer Sicht kam als besonders verwerfliches Unterfangen hinzu, dass Johann Kaum im September 1939 mit der Mitglieds-Nr. 7218918 der NSDAP beitrat.[4]

Im Oktober 1941 wurde Johann Kaum/Brück verhaftet und am 29.05.1942 vor dem Hanseatischen Sondergericht Hamburg wegen Verbrechen gegen die Verordnung gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe und die Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden („Volksschädlingsverordnung“) sowie wegen Verbrechen gegen das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre („Blutschutzgesetz“) zum Tode verurteilt. Sein Vermögen, darunter sein Grundeigentum in Quickborn, wurde zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen. In dem Urteilsspruch unterstellten die Richter in ihren antisemitischen Phantasien dem Angeklagten eine „hemmungslose jüdische Geschlechtsgier„. Sie urteilten: „Im übrigen ist der Angeklagte auch seiner ganzen Haltung und Lebensführung nach ein typischer Jude. Wenn es noch einer Bekräftigung des urkundlich geführten Nachweises der Zugehörigkeit des Angeklagten zum Judentum bedürfte, so wird diese durch die geschlechtliche Hemmungslosigkeit und durch die jüdische Rabulistik erbracht. (…) Von ihm ist für alle Zukunft nichts anderes zu erwarten, als daß er immer wieder Rassenschande begehen wird. Bei einer so unverschämten Nichtachtung eines der wichtigsten Grundgesetze des deutschen Volkes, das im Interesse der Arterhaltung und zum Schutze der deutschen Ehre erlassen worden ist, gibt es nur eine Antwort. Das ist die Verhängung der Todesstrafe.[5] Auch die nationalsozialistische Presse nahm sich diesem Fall an (siehe Quellen).

Johann Brück wurde am 12. September 1942 um 6:05 Uhr in der Untersuchungshaftanstalt Holstenglacis mit dem Fallbeil hingerichtet.[6] In einem letzten Schreiben, kurz vor der Vollstreckung des Todesurteils, schrieb er an die Staatsanwaltschaft Hamburg: „Ich bitte die Staatsanwaltschaft die Leiche meinen Angehörigen zur Beerdigung freizugeben. Adresse meiner Angehörigen ist (z.Zt. meine Tochter „Buer, Elenore“), die ich bitte zu benachrichtigen, Hamburg, Mundsburgdamm 46. Telefon 234510. Meine Angehörigen werden auf eigene Kosten alles weitere veranlassen. Brück.“ Mit der Auflage, den Sarg nicht zu öffnen, wurde der Leichnam der Familie zur Bestattung übergeben.[7] Zum Zeitpunkt der Hinrichtung war auch seine Ehefrau inhaftiert. Sie hatte versucht, ihren Mann durch Falschaussagen zu schützen und wurde später zu einem halben Jahr Gefängnis wegen Verleitung zum Meineid verurteilt.[8]

1951 erhielt die Witwe das Grundstück im Harksheider Weg bzw. Dreibeekenmoorweg zurück und vermietete das Wohngebäude bis zu ihrem Tod 1977.[9] In der Nachkriegszeit wurde wegen der Verurteilung des Johann Kaum/Brück gegen die einstigen verantwortlichen Richter des Hanseatischen Sondergerichtes Erich Möller und Dr. Gerhard Ehlert ein Ermittlungsverfahren wegen Rechtsbeugung und Totschlag eingeleitet, das jedoch mangels Beweisen eingestellt wurde.[10]

Im Juli 2019 wurde in Erinnerung an Johann Brück vor seinem letzten freiwilligen Wohnsitz im Mundsburger Damm 46 in Hamburg-Uhlenhors ein STOLPERSTEIN verlegen.

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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