WETTBEWERBSBEITRAG: Die Elmshorner Bismarckschule im Nationalsozialismus

Abb. 01: Rassenkunde an der Bismarckschule (Verwendung des Fotos unter freundlicher Genehmigung von Harald Kirschinck, Privatarchiv Kirschninck, Elmshorn)
Abb.2: Rassenkunde und nationalsozialistische Propaganda wurde – wie ein Blick in ein Klassenbuch aus dem Jahr 1944 zeigt – nicht nur im Biologieunterricht vermittelt.
Abb.3: Rassenkunde und nationalsozialistische Propaganda wurde – wie ein Blick in ein Klassenbuch aus dem Jahr 1944 zeigt – nicht nur im Biologieunterricht vermittelt.
Abb.4: Rassenkunde und nationalsozialistische Propaganda wurde – wie ein Blick in ein Klassenbuch aus dem Jahr 1944 zeigt – nicht nur im Biologieunterricht vermittelt.
Abb.5: Rassenkunde und nationalsozialistische Propaganda wurde – wie ein Blick in ein Klassenbuch aus dem Jahr 1944 zeigt – nicht nur im Biologieunterricht vermittelt.
Abb.6: Rassenkunde und nationalsozialistische Propaganda wurde – wie ein Blick in ein Klassenbuch aus dem Jahr 1944 zeigt – nicht nur im Biologieunterricht vermittelt.
Abb. 7: begeisterte Hitlerjungen? – Bewerbungen von Oberprimanern für die Zulassung zur Abiturprüfung 1942
Abb. 8: begeisterte Hitlerjungen? – Bewerbungen von Oberprimanern für die Zulassung zur Abiturprüfung 1942
Abb. 9: Abiturprüfungen im Vergleich: hier Deutsch 1931
Abb.10: Abiturprüfungen im Vergleich: hier Deutsch 1936
30. Januar 1933
Bismarckstraße 2, Elmshorn

 Die Umsetzung der NS-Ideologie im Bereich Schule und Erziehung


Gleichschaltung und Rituale:

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte auch eine grundlegende Veränderung des Schulsystems zur Folge. Im Zuge der Gleichschaltung des deutschen Volkes wurde der Zweck der schulischen Ausbildung im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie verändert. Hauptziel war nun, die Schüler zu Gehorsam und Führertreue zu erziehen. Dazu wurde ein wachsames Auge seitens der Pädagogen für nötig befunden. Aus dem Protokoll der Lehrerkonferenz vom 09. August 1934 geht hervor, dass darauf zu achten sei, dass der Jugendliche stets Haltung bewahre, das Pfeifen auf dem Schulgelände unterlasse und den Hitlergruß straff erwidere1. Rituale bestimmten von nun an den Alltag von Schülern und Lehrern. Dem Treuegebot gegenüber dem „Führer und Reichskanzler“ wurde von Seiten der Schulleitung akribisch Rechnung getragen durch die penible Regelung des Hitlergrußes,2 die immer wieder Thema der Lehrerkonferenzen war, und die Bemühungen um die Anschaffung einer „guten Hitlerbüste“.3


Indoktrinierung der Bismarckschüler:

Die Gewinnung der Jugendlichen für die nationalsozialistische Sache verlief an der Bismarckschule offenkundig sehr erfolgreich. Wie Schulleiter Gustav Humpf auf einer Konferenz vom 09. Februar 1934 stolz vermeldete, sei nahezu die gesamte Schülerschaft in der HJ organisiert und damit gleichgeschaltet.4 Für besonders engagierte Schüler wurde Unterrichtsbefreiung gewährt mit dem Hinweis an die Lehrer, sich mit der Einführung neuen Lernstoffs an den betreffenden Tagen zurück zu halten.5
Auch die Lehrpläne wurden dem Geist der neuen Zeit angepasst. Besonders engagiert an der schulischen Umsetzung des nationalsozialistischen Weltbildes zeigte sich der damalige Direktor der Bismarckschule, Gustav Humpf, der auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis 1947 die Schulleitung inne hatte. So überwachte Humpf persönlich, ob sein Kollegium die rassepolitischen Inhalte, die in die Lehrpläne zu integrieren waren, tatsächlich umsetzte und forderte darüber hinaus Rechenschaft ein.6 Den Fachkonferenzprotokollen des Jahres 1933 ist zu entnehmen, dass sich die Lehrkräfte nahezu aller Fächer mit rassekundlichen Fragestellungen auseinandersetzten,7 wie auch in dem folgenden Beispiel deutlich wird, das einen Katalog zum Thema Rassenkunde aus dem Biologieunterricht enthält: „Die fremden u. minderwertigen Rassenbestandteile im deutschen Volk. Judenfrage. Mission der nordischen Rasse. Abnahme des nordischen Rassenanteils (Entnordung) Gegenmassnahme (Aufnordung).“8 Ähnliche Inhalte wurden auch für andere Fächer wie Geschichte, Erdkunde und sogar Religion festgelegt. Diese Maßnahmen zeigten rasch die erwünschte Wirkung. Um zum Abitur zugelassen zu werden, mussten sich die Schüler damals bewerben. Ein Schüler schrieb in dieser Bewerbung: „Durch den Biologieunterricht in der 7. und 8. Klasse lernte ich verschiedene Gesetze kennen, die der heutige Staat erlassen hat. […] Durch Beispiele und Bilder, die die furchtbaren Folgen der Blutsvermischung zeigen, lernte ich die Notwendigkeit des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes begreifen.“9

 

Einstellung der Lehrerschaft:

Im Gegensatz zu den Schülern schienen jedoch nicht alle Lehrer den neuen Idealen vorbehaltlos zuzustimmen, was aus dem folgenden Konferenzvermerk des Jahres 1933 deutlich wird: Es sei „unbedingt notwendig, daß sich die ältere Lehrerschaft in den Dienst der nat. soz. Idee stelle“.10 Offenkundig taten sich insbesondere ältere Pädagogen, die ihre Ausbildung noch in der Kaiserzeit absolviert hatten, schwer damit, nationalsozialistisches Gedankengut zu vermitteln. Um diese von der Richtigkeit der NS-Ideologie zu überzeugen, entsandte die Partei hohe Beamte wie den Regierungsdirektor Pein mit dem Auftrag in die Schulen, die noch zögerlichen Lehrkräfte auf den neuen Kurs einzuschwören und völlige Hingabe an den Nationalsozialismus einzufordern.11 Einschlägige Klassenbucheinträge aus den späteren Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft beweisen den Erfolg dieser Bemühungen.

 

Praktische Auswirkungen:

Die NS-Ideologie wirkte sich jedoch nicht nur auf Unterrichtsgestaltung und Curricula, sondern auch auf die konzeptionelle Gestaltung der Abiturthemen an der Bismarckschule aus. Anhand von vier Gedichten des Lyrikers Stefan George sollten sich die Abiturienten 1936 in Ihrer Deutscharbeit zum „Führertum“ äußern, selbstverständlich in der Lesart der Nationalsozialisten, während 1931 noch die kritische Auseinandersetzung mit einer Novelle von Stefan Zweig im Mittelpunkt gestanden hatte. Aber wie so viele deutsche Dichter wurde auch Zweig auf Geheiß der Schulleitung aus den Regalen der Schulbibliothek verbannt.12
Um das Ideal der Volksgemeinschaft auch äußerlich zu unterstreichen, wurde das Tragen von Uniformen (der HJ und SA) innerhalb der Schule forciert und gleichzeitig die Ausgrenzung so genannter Nichtarier betrieben, die von der Teilnahme am weltanschaulichen Unterricht „befreit“ waren.13 Damit die Volksgemeinschaft ihre vorgesehene Führungsrolle durch das Kampfprinzip ausüben konnte, beriet das Kollegium auf verschiedenen Konferenzen über die Funktionalisierung des Sportunterrichtes im Sinne der Wehrertüchtigung: Leibesübungen seien die Quelle völkischer Kraft und kulturellen Strebens. Höchste sportliche Leistungsfähigkeit werde im Wettkampf erzielt (Einzel- und Mannschaftskampf). Der Mannschaftskampf stünde im Vordergrund, weil er Einsatzbereitschaft und Kameradschaft erfordere; dadurch erhalte die Leistung erst ihren Wert.14


Fazit:

Ganz im Sinne des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels, der anlässlich der Bücherverbrennung 1933 auf dem Opernplatz in Berlin die Worte sprach, der kommende deutsche Mensch werde nicht nur ein Mensch des Buches, sondern auch ein Mensch des Charakters sein15, erfolgte auch die Vermittlung von Bildungsinhalten und -methoden zwischen 1933-1945 an der Bismarckschule Elmshorn. Offenkundig ohne größere Widerstände gelang es der Schulleitung, Schülerschaft und Kollegium mit nationalsozialistischem Gedankengut zu infiltrieren, anstelle unter Berücksichtigung humanistischer Traditionen Werte wie Individualismus, Aufklärung und Empathie zu verfechten. Die intellektuelle Verflachung von Bildungsinhalten ging ebenso wie die Ablehnung kritsch differenzierten Denkens einher mit dem Einfordern quasi militärischer Tugenden nach dem Zucht- und Unterordnungsprinzip.


Siehe dazu die Präsentation: Schule_im_Nationalsozialismus_Bismarckschule

 

Autoren:

Benjamin Best, Joana Clasen, Lukas Doering, Laura Gaudlitz, Nina Graf, Hannes Lübcke, Christian Rücker, Johanna Schmieding, Thorben Teclaw, Lena-Marie Uloth, Mareike Wehling

 

Anmerkungen:

1) Bismarckschule Elmshorn: Protokolle der Sitzungen des Lehrerkollegiums. 2 Bde. Bd. 2: 1933-1951. Transskribiert von der AG Ortsarchiv Horst, Horst 2015, S. 313. Im Folgenden abgekürzt mit: Prot.
2) Prot., S. 307.
3) Prot., S. 306.
4) Prot., S. 303.
5) Prot., S. 312.
6) Prot., S. 304.
7) Prot., S. 289-295.
8) Prot., S. 293.
9) Archiv Bismarckschule.
10) Prot., S. 288.
11) Prot., S. 287.
12) Prot., S. 282.
13) Prot., S. 312.
14) Prot., S. 368.
15) Zit. in: Globisch, Claudia: Radikaler Antisemitismus. Inklusions- und Exklusionssemantiken von links und rechts in Deutschland, Erlangen 2009, S. 194.

Veröffentlicht von geschichtsprofil am

Ein Hinweis zu “WETTBEWERBSBEITRAG: Die Elmshorner Bismarckschule im Nationalsozialismus”

  1. Martin Leo sagt:

    Die Frage, wie Lehrkräfte sich an einer Schule wie der Bismarckschule in der Nazizeit dafür begeisterten, junge Menschen im Sinne des Faschismus und Rassismus für Krieg und Herrenmenschentum zu begeistern, sollte uns vor allem auch deswegen interessieren, weil viele nach 1945 weiter dafür gesorgt haben könnten, die deutschen Jugendlichen im gleichen, aber etwas modifizierten Geist zu erziehen. Dieses Verbleiben im Amt müsste untersucht werden. Ich sage das als jemand, der ab 1966 diese Schule besuchte. Nie war ich den Verdacht losgeworden, dass dort viele ältere Lehrer wirkten, die eine sehr braune Vergangenheit hatten. Wer zugleich etwas erfahren will darüber, wie in der Nachkriegszeit in der BRD gesellschaftliches Bewusstsein entstand, kommt nicht an unseren Schulen vorbei, die zumeist nicht zu demokratischen Bewusstsein erzogen. Wenigstens heute sollte man dazu forschen.

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