Reichstagswahlen in Friedrichsgabe

Ergebnisse der Reichstagswahlen in Friedrichsgabe 1924 - 1933 (Abb.: Jörg Penning)
Reichstagswahlen in Friedrichsgabe 1924 - 1933 (Abb.: Jörg Penning)
Ergebnisse der Reichstagswahlen in Friedrichsgabe, Schleswig-Holstein und dem Deutschen Reich 1924 - 1933 (Tabelle: Jörg Penning)
Ergebnisse der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 31.07.1932 (Abb.: Jörg Penning)
31. Juli 1932
Pestalozzistraße, Friedrichsgabe / Norderstedt

In der Zeit der Weimarer Republik konnten die Bürger des Ortes Friedrichsgabe bei 22 Gemeindevertreter-, Kreistags-, Provinziallandtags-, preußischen Landtags- und Reichstagswahlen sowie bei vier Reichspräsidentenwahlen und sechs Volksbegehren bzw. Volksentscheiden ihr Votum abgeben. Als Wahllokal wurde hierbei das Gebäude der Volksschule in der Schulstraße, heute Pestalozzistraße, genutzt.[1] Für die Reichstagswahlen von Mai 1924 bis März 1933 liegen Stimmenergebnisse vor, die Aufschluss über das Wahlverhalten der ländlichen Bevölkerung der Gemeinde und den Aufstieg der NSDAP geben.[2]

Bemerkenswert ist in Friedrichsgabe der verhältnismäßig späte Zuspruch der NSDAP in der Wählergunst, der für die damalige preußische Provinz Schleswig-Holstein zwar nicht untypisch, in Friedrichsgabe jedoch noch akzentuierter hervorsticht. Hatten die Nationalsozialisten, die bei den beiden Reichstagswahlen im Jahr 1924 zusammen mit der „Deutschvölkischen Freiheitspartei“ unter der Bezeichnung „Völkisch-Sozialer Block“ (Reichstagswahl 4. Mai 1924) bzw. „Nationalsozialistische Freiheitsbewegung“ (Reichstagswahl 7. Dezember 1924) kandidierten, in Schleswig-Holstein immerhin schon 7,4 bzw. 2,7 Prozent erzielt,[3] so blieben in Friedrichsgabe die Wahlergebnisse mit zwei bzw. keinen Wählerstimmen absolut unbedeutend. Auch die nächste Reichstagswahl von 1928 verhalf der NSDAP mit 10 Wählerstimmen und 3,6 Prozent zu keinem nennenswerten Erfolg. Dies änderte sich auch nicht bei der Provinziallandtagswahl im November 1929, bei der der NSDAP erstmals in vielen Gegenden Schleswig-Holsteins ein gewisser Durchbruch in breitere Wählerschichten gelang.[4] In Friedrichsgabe blieb die Partei bei dieser Wahl mit 11 Wählerstimmen und 3,4 Prozent noch schwach.[5] Erst nachdem im Juli 1930 in Friedrichsgabe eine Ortsgruppe der NSDAP ins Leben gerufen wurde,[6] begannen sich die politischen Verhältnisse schlagartig zu ändern. Bei der drei Monate später durchgeführten Reichstagswahl wurde die NSDAP mit 171 Wählerstimmen und 46,1 Prozent stärkste Partei. Dieses Ergebnis noch verbessern konnte die NSDAP in Friedrichsgabe bei den nächsten Reichstagswahlen im Juli 1932. Nunmehr stimmten 246 Wähler für die Partei Adolf Hitlers. Mit 53,4 Prozent der Wählerstimmen lagen die NSDAP-Ergebnisse in Friedrichsgabe damit ungefähr im Durchschnitt des Kreises Pinnerberg (52,2 Prozent)[7] bzw. der gesamten preußischen Provinz (51,0 Prozent).[8] Ein noch größerer Wähleranteil für die NSDAP war in den landwirtschaftlich geprägten Nachbargemeinden Quickborn (61,5 Prozent), Bönningstedt (71,8 Prozent) und Hasloh (75,8 Prozent) zu verzeichnen. In Garstedt hingegen, das einen höheren Anteil an Arbeitern aufwies, blieb das NSDAP-Ergebnis mit 43,8 Prozent  im Verhältnis zu dem schleswig-holsteinischen Gesamtergebnis unterdurchschnittlich.[9]

Die Wahlgewinne der Reichstagswahl im Juli 1932 blieben die höchsten, die die NSDAP unter demokratischen Wahlen erzielte. Auch die ersten Reichstagswahlen nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, die am 5. März 1933 in einem Klima der Verfolgung und Einschüchterung politischer Gegner stattfanden, konnte mit 51,0 Prozent nicht mehr diesen Spitzenwert übertreffen.

Werden die Stimmengewinne der Nationalsozialisten mit den Verlusten der anderen Parteien verglichen, so zeigt sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Wählereinbrüchen bei der konservativen „Deutschnationalen Volkspartei“ (DNVP). Die vormals im Ort stark verankerte DNVP verliert bei der Reichstagswahl 1930 ganze 31 Prozentpunkte und schrumpft auf einen Anteil von lediglich 1,6 Prozent. Auch die beiden liberalen Parteien, die „Deutsche Volkspartei“ (DVP) und die „Deutsche Demokratische Partei“ (DDP, ab 1930 „Deutsche Staatspartei“), verlieren an Bedeutung und sind mit fünf Wählerstimmen bei den letzten beiden Reichstagswahlen der Weimarer Republik im Grunde nicht mehr im Ort präsent.

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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