Geschäftsstelle der Deutschen Arbeitsfront (DAF)

Das Block- und Zellensystem der DAF (Quelle: Organisationsbuch der NSDAP 1937)
Pinneberger Tageblatt, 28.09.1934
Pinneberger Tageblatt, 29.12.1938
Pinneberger Tageblatt, 21.09.1940
Ellerauer Straße 9, Quickborn

Ein wesentliches Element der nationalsozialistischen Ideologie war die Propagierung der „Volksgemeinschaft“, in der die Unterschiede zwischen Herkunft, Stand, Beruf, Bildung und Vermögen negiert und ein völkisches Gleichheitsversprechen postuliert wurde. Zur Vermittlung dieses scheinegalitären Gesellschaftsbildes baute die NSDAP ein umfassende Netz von nationalsozialistischen Organisationen auf, die tief in das Alltagsleben der Bevölkerung eingriffen. Eine dieser Organisationen war die Deutsche Arbeitsfront (DAF).

Die DAF wurde nach der Zerschlagung der Gewerkschaften im Mai 1933 gegründet und zählte im Deutschen Reich 20 Millionen Mitglieder. In dieser Pseudogewerkschaft waren Arbeiter, Angestellte, Beamte und Unternehmer per Zwangsmitgliedschaft zusammengeschlossen.[1]

In Quickborn besaß die DAF eine Geschäftsstelle im Haus des Arbeiters Willy Hatje,[2] der in der Ellerauer Straße 9 wohnte,[3] auf dem heutigen Gelände der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein. Die DAF zählte in Quickborn nach der Gleichschaltung der Gewerkschaften im Jahr 1933 234 Mitglieder. Mit der Eingliederung der Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels- und Gewerbeorganisation (NS-Hago) im Oktober 1934 und der Angestellten Anfang des Jahres 1935 in die DAF stieg die Mitgliederzahl der Ortsgruppe auf über 500 an,[4] die in insgesamt 19 Berufsgruppen, sogenannten „Reichsbetriebsgemeinschaften“, organisiert waren.[5] Wie die NSDAP war auch die DAF in Blöcke und Zellen gegliedert, denen Zellen- und Blockwalter vorstanden. Auf einer Veranstaltung der DAF in Quickborn bezeichnete der Redner den Blockwalter „als den wichtigsten Mann in der DAF. (…) Dieser habe die schwere Aufgabe, den Kontakt mit den einzelnen Volksgenossen herzustellen; er müsse in seinem Block Bescheid wissen, wie ein Vater in seiner Familie.[6] Auf einem Schulungsabend der DAF erläuterte Kreispropagandawalter Cordts ergänzend: „Es ist erforderlich, dass sie [die Blockwalter, d. Verf.] geschult werden, damit sie in der Lage sind, alle Angriffe gegen die Regierung und ihre Einrichtungen abzuwehren und alle Anwürfe zu widerlegen.[7] Wie es auf einer Versammlung hieß, zählte die arbeits- und sozialrechtliche Beratung im Betrieb, die Überwachung der Volksgesundheit, die weltanschauliche Schulung seiner Mitglieder und die Durchführung von „Reichsberufswettkämpfen“ zur Ermittlung von „nationalsozialistischen Musterbetrieben“ zu den Aufgaben der DAF.[8] Zudem oblag der Organisation vor Ort die Warenpreiskontrolle.[9]

Über den ideellen Hintergrund der DAF ließ „Ortswalter“ Richard Hübener verkünden: „Die DAF sei geschaffen, um die Volksgemeinschaft zu hegen und zu pflegen, die nationale Volksgemeinschaft müsse unbedingt hergestellt werden. Es dürften nicht dauernd Streitigkeiten sein wie früher, sondern der Arbeitgeber müsse seinen Arbeitnehmer einschätzen wie sich selbst.[10] Das Führerprinzip sollte auch auf die Arbeitswelt übertragen werden, wonach die Arbeiter und Angestellten als „Gefolgschaft“ mit dem Unternehmer, dem „Betriebsführer“, in einer „Betriebsgemeinschaft“ zusammenzuwirken hatten. Auf einer DAF-Schulung im Dezember 1935 wurde dieses wie folgt beschrieben: „In seinem kurzen Vortrag brachte er [der Redner, d. Verf.] immer wieder die neu aufzubauende Gemeinschaft in den Vordergrund. Diese angewandt auf die Belange des Arbeiters, müssen die Betriebsführer davon abkommen den deutschen Volksgenossen als Lohnkonto zu betrachten, sondern ihn als Kameraden und deutschen Volksgenossen behandeln. In Zusammenarbeit muß zum Besten des Betriebes geschaffen werden: der Betriebsführer muß für den Arbeiter sorgen. Wenn dem Arbeiter das Zugehörigkeitsgefühl gegeben wird, dann wird jede Gefolgschaft unzertrennlich zu ihrem Betriebsführer stehen.[11] Zur Festigung dieses Zugehörigkeitsgefühls in der „Gemeinschaft“ dienten insbesondere Betriebsfeiern. Über eine solche Feier am „Feiertag der nationalen Arbeit“ am 1. Mai 1935 berichtete das Quickborn-Hasloher Tageblatt: „Eine Feier der Belegschaft der Quickborner Torfindustrie, Gewerkschaft Hausbach 3, fand am Abend des 1. Mai im Lokal von Schmidts Gasthof statt. Die ganze Belegschaft kam mit ihrem Betriebsführer zusammen, um gemeinsam einige frohe Stunden zu verleben zum Zeichen der Verbundenheit und Zusammengehörigkeit. Es wurde ein gemeinsames Abendessen eingenommen, worauf bei fröhlichem Trunk, Unterhaltung und Vorträgen einige angenehme Feierstunden verlebt wurden.[12]

An die DAF angeschlossen war die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF), die den „Volksgenossen“ nach der Arbeit betreuen sollte und Freizeitgestaltungen, Urlaubsmöglichkeiten und Bildungskurse anbot. Über den Zweck der KdF hieß es vom DAF-Kreisleiter Diercks: „Wenn man bisher nur den Profit erkannte, der aus dem Arbeiter herauszuziehen war, soll heute jeder interessiert sein an der Gestaltung des Volkes und soll teilnehmen an allen Geschehnissen. So soll auch dem Arbeiter Gelegenheit gegeben werden, was ihm bisher versagt war, teilzunehmen an der Kunst, dem Theater, an Konzerten, er soll als Volksgenosse betrachtet werden.[13] In der Landgemeinde Quickborn organisierte die KdF Ausflüge nach Hamburg ins Operettenhaus und ins Theater.[14] Sie ermöglichte günstige Erholungsfahrten, wie z.B. Urlaubsreise nach Thüringen oder eine Hochseefahrt auf der Nordsee.[15] Für die Dorfgemeinschaft in Quickborn-Renzel organisierte die KdF im August 1936 eine Fahrt in die Holsteinische Schweiz.[16] Beliebt waren auch die „Feierabendveranstaltungen“ der KdF-Theatergruppe „Quickborner Speeldeel“, an denen bis zu 500 Besucher teilnahmen.[17] Dies alles waren Aktivitäten, die die politische Loyalität zum nationalsozialistischen Staat festigen sollten.

 

Lokale Funktionäre der DAF und NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“

Richard Hübener

siehe Spur „Richard Hübener – Ortsgruppenleiter der NSDAP 1930 – 1931“

Detlef Klingforth
Klingforth wurde 1902 in Wilster geboren und machte am Geburtsort eine Ausbildung zum Elektromeister. Nach seiner Tätigkeit bei den Stadtwerken Wilster, nahm er 1928 mit 26 Jahren die neugeschaffene Betriebsleiterstelle in Quickborn an und bezog die Dienstwohnung in der damaligen Marktstraße Nr. 4.[18] In Quickborn trat er am 01.05.1933 mit der Mitglieds-Nr. 2749372 der NSDAP-Ortsgruppe bei[19] und ebenfalls dem SA-Sturm 10/265.[20] Das im März 1935 übernommene Amt als Ortsgruppenamtswalter der DAF gab er bereits ein Jahr später wegen Arbeitsüberlastung wieder an Max Schulz weiter,[21] blieb aber stellvertretender DAF-Ortsgruppenwalter.[22] Seit Januar 1935 war Klingforth Ortswart der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“.[23] Nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus wurde er wegen seiner NSDAP-Parteizugehörigkeit entlassen.[24]

Max Schulz
Schulz wurde 1894 in Kiel geboren und lebte als Angestellter in der Adolf-Hitler-Straße, dem heutigen Harksheider Weg.[25]  Er war langjähriger Vorsitzender des Fußballclubs „Holstein“ [26]und blieb dieses auch nach der Gleichschaltung des Sportvereins im Jahr 1934.[27] 1933 trat Schulz der SA bei, wurde später deren Truppenführer, und stieß 1937 zur NSDAP,[28] zu deren Amtsleiter er im Januar 1939 benannt wurde.[29] Ab März 1936 übernahm Schulz die Leitung der Ortsgruppe der DAF.[30] Auf Verlangen der britischen Militärregierung wurde Max Schulz als Angesteller der Gemeinde Quickborn im November 1945 aufgrund seiner politischen Vorbelastung entlassen.[31]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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