Das weitverzweigte Siedlungsgebiet Quickborn-Heide mit den baulichen Hinterlassenschaften der ehemaligen Sprengstoffwerke war für die Nationalsozialisten eine berüchtigte Gegend. Hier waren viele ihrer politischen Gegner ansässig. Vor allem die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) konnte in der ländlichen Arbeitersiedlung auf eine große Anzahl an Anhängern verweisen. Bei der Gemeindevertreterwahl vom 25. Januar 1931 erhielt sie in Quickborn-Heide 32 Prozent der Stimmen.[1] Ein Zeitzeuge erinnerte sich: „‚Dahinten wohnt Rotfront‘, haben wir immer gesagt. Das war ein richtiges Kommunistenviertel zu der Zeit. Die Ärmsten von Quickborn wohnten dort.“ [2]
Nach der Machtübernahme der NSDAP war es daher ein vordringliches Ziel der Nationalsozialisten, dieses politisch „unruhige“ Siedlungsgebiet unter ihre Kontrolle zu bekommen und die politischen Gegner niederzuhalten. Anfang März 1933 rief der Sturmbannführer Werner Ballauf den Anwesenden auf einer Versammlung entgegen: „Kameraden von der SA und SS, heute ist auch für Quickborn der Tag gekommen, an welchen die Fahne des nationalsozialistischen Deutschland auf dem Rathaus in Quickborn aufgezogen wird. Wir hoffen und wünschen, dass diese Fahne dort oben bleibt und geloben gleichzeitig, dass das Hakenkreuzbanner nicht heruntergeholt wird, solange wir leben. Wir hoffen und wünschen, dass auch hier in Quickborn mit dem Bürokratismus der letzten Jahre ein Ende gemacht wird und dass Quickborn wieder zu einem deutschen Quicborn wird. Ebenfalls geloben wir, dass mit dem Kommunismus der Quickborner Heide endgültig aufgeräumt wird.“ [3]
Neben gezielten Einzelfestnahmen von politisch bekannten Personen oder durch Denunziationen fanden 1933 in Quickborn-Heide zwei großangelegte Razzien statt. Die erste Razzia spielte sich am Sonntag, den 14. Mai 1933 ab. Ca. 1000 Schutzpolizeibeamte und Kriminalbeamte aus Hamburg-Altona, Landjäger des Amtsbezirks Quickborn sowie SS- und SA-Mannschaften sperrten das Siedlungsgebiet ab und durchkämmten es Haus für Haus.[4] Mit Eisenstangen stocherten sie dabei in den Böden, um versteckte Waffen ausfindig zu machen.[5] Eine zweite Durchsuchung folgte wenige Monate später: Am 25. August 1933 durchkämmten SA-Mannschaften aus Quickborn und Ellerau und örtliche Landjäger nochmals das Gebiet.[6] Bei beiden Durchsuchungen wurden Personen festgenommen.
Zu den Verhafteten der ersten Razzia gehörte Robert Schramm. Schramm wurde 1895 in Hamburg geboren[7] und zog 1930 nach Quickborn.[8] Er engagierte sich seit 1920 in der KPD,[9] für die er noch 1933 zur Gemeindevertreterwahl kandidierte[10] und im kommunalen Verbandsausschuss des Sparkassenzweckverbandes Quickborn vertreten war[11]
Robert Schramm wohnte mit seiner Familie in dem ehemaligen Kantinengebäude der Sprengstoffwerke „Glückauf“ an der Ulzburger Landstraße, gegenüber der Theodor-Strorm-Straße.[12] Als sich die „Ordnungshüter“ Zutritt zu seiner Wohnung verschafften, fanden sie politische Bücher, Bilder und Transparentstoff vor. Schramm war zum Zeitpunkt der Durchsuchung nicht vor Ort, sondern beim Torfstechen. Seine zwölfjährige Tochter hatte seinen Aufenthaltsort anzugeben, sodass es zu einer Verhaftung und einem Abtransport nach Hamburg kam. Nach wenigen Tagen im Gefängnis Altona wurde Robert Schramm ins Strafgefängnis Fuhlsbüttel überführt. Von hier aus wurde er nach neun Wochen Haft entlassen. Seine Arbeit als Maler bei der Hamburg-Süd Dampfschifffahrts-Gesellschaft hatte er nach der Haftentlassung verloren. Er blieb längere Zeit arbeitslos und fand schließlich eine Anstellung bei dem Malermeister Kuhlmann in Quickborn.[13]
Nach der Kapitulation und dem Ende des Nationalsozialimus wurde Schramm von der britischen Militärregierung als Vertreter der KPD in die Gemeindevertretung berufen.[14] Er gehörte zu denjenigen Antifaschisten, die am 11. Mai 1945 das Quickborner Gemeindebüro besetzten, um zu fordern, dass die durch britische Anweisung immer noch amtierenden NS-Funktionäre abgesetzt werden.[15]
Für seine Haftzeit, seine ihm durch die Durchsuchung abhanden gekommenen Gegenstände und seine politisch erzwungene Arbeitslosigkeit beantragte Schramm in der Nachkriegszeit eine „Entschädigung wegen Schadens im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen durch Entlasssung aus einem privaten Arbeitsverhältnis, wegen Schadens an Freiheit sowie an Eigentum und Vermögen durch Plünderung und Beschlagnahme„.[16] 1956 erhielt er als Wiedergutmachung einen Betrag von 300 DM zugesprochen.[17]
Robert Schramm starb am 17. März 1985 mit 89 Jahren in Quickborn.