Die Gastwirtschaft „Zum grünen Jäger“ – Parteilokal der NSDAP-Ortsgruppe Renzel

Quickborn-Renzel - Gastwirtschaft Zum grünen Jäger, ca. Mitte der 1930er Jahre (Foto: W. Bindseil)
Quickborn-Renzel - Krehlohweg, 2013 (Foto: Jörg Penning)
Veranstaltungsankündigung der NSDAP-Ortsgruppe Renzel, Pinneberger Tageblatt 26.07.1932
Fritz Schramm, ca. Ende der 1920er Jahre (Foto: Bundesarchiv Berlin)
Ferdinand Schramm, ca. Anfang der 1930er Jahre (Foto: Reichstagshandbuch VII)
ehemaliges Grab der Familie Schramm, Nordfriedhof Quickborn 2005 (Foto: Jörg Penning)
1. November 1929
Krehlohweg, Quickborn

Die Anfänge der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in Quickborn lassen sich bis in den November 1928 zurückverfolgen. In dieser Zeit waren die Nationalsozialisten erstmals im Ortsteil Renzel mit einem Stützpunkt vertreten.[1] Vorausgegangen war die erstmalige Gründung eines Gaus der NSDAP in Schleswig-Holstein im März 1925, nachdem die nach dem Hitler-Putsch verbotene Partei wieder ihre Zulassung erhielt und sich nun auch im norddeutschen Raum auszubreiten begann. Hierbei hatte die anfangs in Schleswig-Holstein lediglich 300 Mitglieder zählende Partei ihre organisatorischen Schwerpunkte vor allem in den Städten. Die ersten NSDAP-Ortsgruppen im Kreis Pinneberg gründeten sich in den Jahren 1925/26 in Elmshorn und den damals noch zum Kreisgebiet gehörenden Städten Schnelsen und Eidelstedt.[2] In den nachfolgenden Jahren versuchten die Nationalsozialisten, ihre propagandistische Aktivitäten in die ländlichen Gebiete zu verlagern, um sich die anwachsende Proteststimmung in der ländlichen Bevölkerung zunutze zu machen. Ausgehend von Halstenbek, wo seit Anfang 1928 eine NSDAP-Ortsgruppe existierte und sich zeitweise die Gaugeschäftsstelle der NSDAP befand,[3] verbreiteten die Nationalsozialisten ihre Parteiagitation in die umliegenden Dörfer. Der Halstenbeker „Parteigenosse“ Diercks erinnerte sich: „Zusammen mit dem Pg Schramm versuchten wir dann, die nähere und weitere Umgebung Halstenbeks zu erobern. Egenbüttel, Ellerbek, Bönningstedt, Hasloh, Renzel, Quickborn, Borstel, Hohenraden, Rellingen usw. waren die Hauptangriffspunkte unserer Arbeit. Oftmals konnten wir in unserer Tätigkeit außerhalb der Ortsgruppe mehr erreichen, als im Orte selbst, war doch Halstenbek seinerzeit vom Wohlstande gesegnet, während es in den Bauerndörfern bereits zu gären begann.[4]

Der Renzeler NSDAP-Stützpunkt erweiterte sich im Januar 1932 durch den Mitgliederzustrom zu einer eigenen Ortsgruppe und nutzte spätestens ab Anfang 1932 die Gastwirtschaft „Zum grünen Jäger“ als Parteilokal.[5] Zu den ersten NSDAP-Mitgliedern des Stützpunktes, der im Oktober 1929 neun Mitglieder zählte,[6] gehörten die Landwirte Jochim Wittorf (Eintritt: 1. Mai 1928, damals noch in der Ortsgruppe Halstenbek)[7], Wilhelm Kolz (Eintritt: 1. Januar 1929)[8], Albert Bornholdt (Eintritt: 1. November 1928)[9] und Ernst Warncke (Eintritt: 1. Dezember 1929)[10] sowie die Bäckermeister Johann Iden (Eintritt: 1. November 1928)[11] und Karl Röhrs (Eintritt: 1. November 1928)[12]. Diese ersten NSDAP-Mitglieder zählten nicht zu den sozialen Außenseitern in der Landgemeinde, vielmehr waren sie durch ihre gesellschaftliche Stellung und durch ihre Mitwirkung im Landwirtschaftlichen Verein (Kolz[13], Bornholdt,[14] Warncke[15]), in der Kirchenvertretung (Bornholdt und Iden[16]) oder im Kampfgenossen- und Kriegerverein (Iden,[17], Röhrs[18]) sowie durch ihr früheres politisches Engagement in der Gemeindevertretung (Wittorf[19]) und der konservativen Deutschnationalen Volkspartei (Kolz[20], Bornholdt[21]) in den dörflichen Strukturen verwurzelt gewesen und stießen in Teilen der Bevölkerung auf gesellschaftliche Anerkennung.

Die Initiative zur Gründung eines NSDAP-Stützpunktes in Renzel ging vermutlich von dem Halstenbeker Ferdinand Schramm aus. Dieser trat im April 1927 der NSDAP bei,[22] wurde 1929 NSDAP-Kreisleiter sowie Abgeordneter des Kreistages[23] und übernahm 1932 ein Reichstagsmandat.[24] Dieser war in Quickborn aufgewachsen[25] und heiratete die aus Renzel stammende Elsa Schramm geborene Hatje.[26] Sein Vater Fritz Schramm betrieb in Renzel die Gastwirtschaft „Zum grünen Jäger“. Bis zur Machtübernahme der NSDAP trat der NSDAP-Funktionär Ferdinand Schramm mindestens fünf Mal in Quickborn auf Veranstaltungen auf und warb in der Bevölkerung für die rechtsextremen Ziele seiner Partei (s. u. Quelle: Veranstaltungen mit Ferdinand Schramm in Quickborn).

Sein Vater wurde am 22. Dezember 1861 in Grünholz nahe Eckernförde geboren[27] und war in Quickborn als Revierjäger bzw. Jagdaufseher tätig[28] bis er 1908 mit 47 Jahren in Renzel zusätzlich die Pension und Gastwirtschaft „Zum grünen Jäger“ eröffnete.[29] Er folgte seinem Sohn in die NSDAP und wurde am 1. November 1929 mit der Mitglieds-Nr. 167890 in die Partei aufgenommen.[30] Im Juni 1929 erweiterte er sein Ausflugslokal um einen Schießstand, der westlich der Gastwirtschaft angelegt wurde.[31] Den Schießstand stellte Schramm nicht nur den Mitgliedern des Kampfgenossen- und Kriegervereins und des örtlichen Schützenvereins zur Verfügung,[32] sondern auch den Formationen der SA und SS.[33] Über ein solches Zusammentreffen berichtete ein Berichterstatter des Quickborn-Hasloher Tageblattes, der wenig Distanz gegenüber den Nationalsozialisten erkennen ließ, in der Ausgabe vom 20. Mai 1930: „Quickborn stand am Sonntag im Zeichen des Nationalsozialismus. Es waren etwa 150 SA-Leute gekommen, die vormittags auf dem Schießstand des Herrn Schramm in Renzel ein Preisschießen veranstalteten. Die Gruppen, die bereits geschossen hatten, hielten bei günstigem Wetter kleine Uebungen im Gelände ab. Dann wurde geschlossen nach Quickborn marschiert zur Gastwirtschaft von W. Grabbe, wo ein herrliches Mittagessen auf die Gäste wartete. (…)[34]

1938 gab Fritz Schramm aus Altersgründen den Gastwirtschaftsbetrieb an seine Tochter Anna van der Borre ab.[35] Er verstarb am 12. März 1947 mit 86 Jahren.[36]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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