Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der Brennerei Tornesch

Brennerei Produktion von Aethylenbromid um 1942. In der gesundheitsschädlichen Produktion des Aethylenbromids waren überwiegend Zwangsarbeiter beschäftigt. Drei Arbeiter stehen vor mit Brom gefüllten Flaschen. Foto Archiv der Kulturgemeinschaft Tornesch.
Aufnahme von ca. 1943 vor der Baracke in der Uetersener Straße in Tornesch. Fünf Personen sind abgebildet, zwei davon mit Geigen, ein Akkordeon und ein Mandolinenspieler. Von links: zwei Ukrainer Leotz und Joseph, dann der Pole Henryk Bejerski, dann die beiden Ukrainer Dimit Noworad und Kasimirsch. Sie machten privat sonntags Musik. Foto von Hans-Joachim Wohlenberg.
Zwangsarbeiter-Musikkapelle. Von links: zwei Ukrainer Leotz und Joseph, dann der Pole Henryk Bejerski, dann die beiden Ukrainer Dimit Noworad und Kasimirsch. Sie machten privat sonntags Musik. Foto von Hans-Joachim Wohlenberg.
Der ehemalige Zwangsarbeiter Henryk Bejerski (1921-2007) 1992 am alten Arbeitsplatz in der Schlosserei der Brennerei. Foto Hans Joachim Wohlenberg.
Brennerei Luftbild um 1950 (Foto Archiv der Kulturgemeinschaft Tornesch)
1. Oktober 1942
Esinger Straße 1A, Tornesch

15 „Ostarbeiter“, darunter der 21-jährige Pole Henryk Bejerski (1921-2007), Mitte, wurden im Oktober 1942 von Schönebeck bei Magdeburg nach Tornesch zur Arbeit in die Brennerei gebracht. In der Brennerei arbeitete der Pole Henryk Bejerski zunächst in der Bromierung. In der gesundheitsschädlichen Produktion des Aethylenbromids waren überwiegend Zwangsarbeiter beschäftigt. Aethylenbromid als Antiklopfmittel für Flugzeugmotore war ein kriegswichtiger Produktionszweig. Es wurde in wechselnden Acht-Stunden-Schichten rund um die Uhr zu je sechs Personen gearbeitet, darunter fünf Ostarbeiter und ein Deutscher.
Insgesamt arbeiteten im Oktober 1944 auf dem Brennereigelände 29 zwangsverpflichtete „Ostarbeiter“, darunter fünf Frauen, und sieben französische Kriegsgefangene. Die Ausländer stellten damit ein Viertel der Belegschaft des Brennereibetriebes. Die Hofkolonne, welche Transportarbeiten zu verrichten hatte, bestand sogar zu zwei Dritteln aus Zwangsverpflichteten, darunter waren drei Frauen. Der älteste Arbeiter der Hofkolonne, Denise Murascho, zählte bereits 70 Jahre. Nach einen halben Arbeitsjahr in der Bromierung arbeitete Bejerski in der Schlosserei. Er hatte keinen Schichtdienst mehr, seine Arbeitszeit begann um 7 Uhr und endete um 15 Uhr.

Als Entlohnung für einen Monat Arbeit bekam Henryk Bejerski 2 RM. Bejerski: „Das war zum Kartenspielen.“ Die Arbeiter mussten spätestens um 21 Uhr in ihrer Unterkunft, einer Baracke an der Uetersener Straße, sein. Sie waren mit der Armbinde „Ost“ am linken Oberarm für die Öffentlichkeit als Fremdarbeiter ausgewiesen, zu denen näherer Kontakt untersagt war. Bejerski war sehr musikalisch und gründete mit vier weiteren Ostarbeitern (Ukrainern) im Lager eine kleine Musikkapelle. Diese Kapelle spielte an einigen Sonntagnachmittagen im Sommer in einem größeren Lager für Ostarbeiter in Uetersen zum Tanz auf. Zu diesen Tanznachmittagen kamen auch Ostarbeiterinnen aus Halstenbek aus den Baumschulen und von Bauerhöfen der Umgebung. Erst im Herbst 1947 konnte Bejerski, der seit 1944 nach einem Zusammenbruch am Arbeitsplatz in verschiedenen Krankenhäusern wegen Tuberkulose behandelt wurde, zu seiner nach Strzelce Krajenskie (ehemals Friedeberg) umgesiedelten Mutter zurückkehren. Bei einer Körpergröße von 178 cm hatte er mit 58 kg starkes Untergewicht.

Quellen: Aufzeichnungen von Hans Joachim Wohlenberg nach einem Besuch bei Bejerski im Mai 1992: Henryk Bejerski, das Schicksal eines polnischen Zwangsarbeiters in Deutschland von 1942 bis 1947. Archiv der Kulturgemeinschaft Tornesch

Firmenarchiv der Brennerei Tornesch im Archiv der Kulturgemeinschaft Tornesch.

Veröffentlicht von Annette Schlapkohl am

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