Zerschlagung der Gewerkschaften. Das Gewerkschaftshaus als politisches Zentrum der Selbstbefreiung. Neonazis greifen Gewerkschaften wieder an

ehemaliges Gewerkschaftshaus
2. Mai 1933
Schulstraße 58, Elmshorn

Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nazis in Elmshorn

Auch in Elmshorn besetzten Nazis vor 75 Jahren das Gewerkschaftshaus hier in der Schulstraße. Karl Dreyer, der damalige Gewerkschaftsekretär, bereits im Februar 1933 Opfer faschistischer Schläger, wurde verhaftet, die Post beschlagnahmt und die Konten gesperrt. Johannes Delker, ein ehemaliges Mitglied der KPD, berichtet von damals: „Der 1. Mai 1933 rückte heran, und zur Schande der Elmshorner Arbeiterschaft wurde unter der Hakenkreuzfahne marschiert. Einen Tag später, am 2.Mai 1933, besetzten SS-Horden das Gewerkschaftshaus, beschlagnahmten das Eigentum, soweit noch Mitgliederlisten und Geld vorhanden waren. Die Gewerkschaften selbst wurden dann der Nationalsozialistischen Betriebsorganisation, der NSBO einverleibt, die später in `Deutsche Arbeitsfront´ (DAF) umgeändert wurde. Ein besonderes Lob möchte ich unserem Vorsitzenden Kollege W. Basse vom Metallarbeiterverband aussprechen. Keine Mitgliederliste und auch kein Geld sind in Elmshorn den Nazis in die Hände gefallen! Er hat dafür dreiviertel Jahr Gefängnis hinnehmen müssen.“

Die planmäßige Zerschlagung der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung setzte sich fort. Am 10. Mai 1933 wurden in Elmshorn die SPD-Vermögen sowie die finanziellen Mittel des hiesigen Reichsbanners beschlagnahmt. Dem FTSV, dem Sportverein der Arbeiterbewegung, legte man nahe sich aufzulösen, „und die Mitglieder zu veranlassen, sich einzeln in die nationalen Verbände aufnehmen zu lassen, oder auch die Vereine, insbesondere ihre Vorstände, mit nationalen Kräften zu durchsetzen und sie in dieser Weise bestehen zu lassen.“

Die von nun an illegalen Zusammenkünfte von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaften waren erschwert und unterlagen notwendigerweise einer besonderen Tarnung bzw. der Geheimhaltung. (1)

 

Die „deutsche Arbeitsfront“ (DAF) und die betriebliche Volksgemeinschaft

Auf örtlicher Ebene behielt die DAF die alten Gewerkschaftseinrichtungen bei, um bis zum endgültigen Neuaufbau einen Massenaustritt zu verhindern und stattdessen den Eindruck zu vermitteln, ihre Gewerkschaften würden zur großen Einheitsorganisation „aller schaffenden Deutschen“ zusammengefasst. Diesen Eindruck sollten die pausenlosen Angriffe auf die „roten Bonzen“ verstärken, denen Korruption vorgeworfen wurde.

Nach dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom Januar 1934 bildeten Arbeiter und Angestellte eines Betriebes „die Gefolgschaft“, der Unternehmer war der „Führer“, die Beziehung zwischen beiden wurde als ein „Treueverhältnis“ festgesetzt. Als einziges Vertretungsorgan war den Beschäftigten in Betrieben mit mindestens 20 Arbeitnehmern die Bildung eines „Vertrauensrates“ zugestanden worden, der als Nachfolger des alten Betriebsrates nur noch beratende Funktion besaß. Im Vertrauensrat durften ausschließlich sozialpolitische Angelegenheiten angesprochen werden. Dagegen war es die oberste Pflicht des Vertrauensrates, die „Werksverbundenheit“ zu vertiefen. Während der Betriebsführer aufgrund seiner Position automatisch Mitglied des Vertrauensrates und zugleich dessen Vorsitzender war, musste der einfache Vertrauensmann Mitglied der DAF sein, und „die Gewähr bieten … jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat einzutreten.“

„Wir halten den Arbeitsfrieden, wir predigen seine Erhaltung und wissen, dass Arbeitsfrieden nicht Wirtschaftsfrieden ist, denn hier tobt der Kampf, Kampf um den Binnenmarkt, Kampf um den Weltmarkt. Den Kampf um die Märkte gewinnen helfen, das ist die Aufgabe der DAF, daher will sie den Arbeitsfrieden, darum will sie die Befriedigung der Schaffenden ohne Ansehen der Person, des Berufs und des Standes“ (DAF 1934 Bl. 32)

Das ist eine andere Formulierung für das Ziel – das gleichzeitig die Aufgabe war, die der Faschismus für die herrschende Klasse zu erledigen hatte – die internationalistisch orientierte Arbeiterschaft zu „nationalisieren“. Eine so befriedete „Betriebsgemeinschaft“ konnte jetzt auch „fremden“ Widerstand überwinden. Die so gewonnene „nationale Stärke und Kraft“ sollte somit wiederum ins internationale Verhältnis zu anderen Nationen gesetzt werden. Und dieses sollte als naturhafter Prozess verlaufen – sich verwirklichen. Der Krieg erschien als logisches Resultat, als Lösungspunkt. Spätestens hier zeigte sich der Gehalt – des konzeptionellen Terrorismus faschistischer Ideologie nämlich, und zwar in seiner grausamsten Weise – im Vernichtungskrieg. (2)

 

Das Gewerkschaftshaus als politisches Zentrum der Selbstbefreiung der Stadt Elmshorn

Als sich gegen Ende des Krieges die Kräfte der Arbeiterbewegung im April/Mai 1945 wieder sammelten, sollte das Gewerkschaftshaus das politische Zentrum der Selbstbefreiung der Stadt von den Nazis werden. Hier wurde die Einteilung für den 150 Mann starken antifaschistischen Ordnungsdienst vorgenommen. Hier kamen die Abordnungen aus den Zwangsarbeiterlagern zusammen um ihre Probleme zu besprechen. Hier wurden Lebensmittel und anderes hingeliefert und verteilt. Hier ging jedermann ein und aus der mit dem erhofften Neubeginn zu tun hatte. Hierher wurden auch die Unternehmer der wichtigsten ortsansässigen Betriebe vom Gewerkschafts-ausschuss zitiert. Erich Arp, Sozialdemokrat, und streitbarer Wegbereiter der Selbstbefreiung forderte sie zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften und den neu gebildeten Betriebsräten auf. „Ein „krasses Führerprinzip“ könne es in Zukunft nicht mehr geben – „auch nicht in den Betrieben“. (3)

 

Neonazis greifen wieder Gewerkschaften an

Heute besetzen Neonazis im „Kampf um die Straße“ zunehmend sozialpolitische Themen und drängen sich immer häufiger in Demonstrationen von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Der Aufmarsch der NPD in Hamburg-Bambek am 1. Mai 2008 – aufgrund des historischen Datums der Zerschlagung der Gewerkschaften vor 75 Jahren – eine ungeheure Provokation. Dagegen war die friedliche Gegendemonstration von 10000 Teilnehmern des Hamburger Bündnisses gegen Rechts ein klares Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus und neonazistische Gewalt ein großer Erfolg zivilgesellschaftlichen Engagements. Die Transparente der Neonazis erfüllten mit Parolen wie „Nie wieder Israel“ den Straftatbestand der Volksverhetzung. Angesichts des vielfältigen friedlichen Widerstandes ist es ein handfester politischer Skandal, dass der scheidende Innensenator Nagel und die Polizeiführung den Neonaziaufmarsch mit Wasserwerfern, Räumpanzern und Schlagstöcken durchgesetzt haben. Sie haben damit gegen das Deeskalationsgebot des Bundesverfassungs-gerichtes verstoßen. Das OVG Hamburg hatte schließlich der Demonstrationsroute des Hamburger Bündnisses gegen Rechts den Vorrang gegenüber der Nazidemonstration eingeräumt.

Angriffe auf 1.Mai-Demonstrationen durch Nazis muss in Zukunft wieder von Gewerkschaften, Antifaschisten und Zivilgesellschaft gemeinsam begegnet werden. Die NPD ist eine Nachfolgeorganisation der NSDAP und gehört endlich verboten.

Rudi Arendt

Literaturhinweise:

(1) Herbert Diercks, Fritz Bringmann: „Die Freiheit lebt! Antifaschistischer Widerstand und Naziterror in Elmshorn und Umgebung 1933-1945 702 Jahren für Antifaschisten“ Röderberg-Verlag Frankfurt a.M. 1983

(2) Claus Weber „Faschismus und Ideologie“ Projekt Ideologietheorie, Argument Verlag, Hamburg 2007

(3) Detlef Siegfried: „Die Befreiung Elmshorns im Mai 1945“, Beiträge zur Elmshorner Geschichte, Band 3, Stadt Elmshorn (Herausgeber.) 1983

 

Veröffentlicht von Rudi Arendt am

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