Mit Kriegsausbruch erfolgte der Einsatz von Kriegsgefangenen in der deutschen Wirtschaft. Da ein gewisser Kontakt der ausländischen Arbeitskräfte zu der deutschen Bevölkerung nicht ausblieb, war die Reichsregierung darum bemüht, den Umgang mit diesen Gefangenen auf das Notwendigste zu beschränken. Dieses galt insbesondere für Frauen, dessen Ehemänner zum Kriegsdienst eingezogen waren. Der intime Verkehr mit ausländischen Kriegsgefangenen war ein schweres Vergehen gegen die deutsche „Volksgemeinschaft“ und wurde unter strenge Strafe gestellt. Trotzdem kam es vereinzelt zu engen Verhältnissen zwischen deutschen Frauen und Ausländern. Wurde solch ein Verhältnis bekannt, so blieb dieses nicht ohne strafrechtliche Konsequenzen. In Schleswig-Holstein kam ein Großteil solcher Fälle vor das Kieler Sondergericht. Insgesamt wurden hier in der Zeit von 1940 bis 1945 267 Personen wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen angeklagt. 8,9 Prozent aller Sondergerichtsanklagen betrafen dieses Delikt. Das Strafmaß für deutsche Angeklagte lag in der Regel bei einer bis zu zweijährigen Gefängnisstrafe, wenn es zu einem freundschaftlichen Verhalten und einem Austausch von Zärtlichkeiten gekommen war. War es hingegen zu einem Geschlechtsverkehr gekommen, so stand eine Verurteilung von bis zu vier Jahren Zuchthaus bevor. Ausländern drohte das verschärfte Straflager.[1]
Um den Umgang mit „Fremdvölkischen“ zu erlernen, wurden in der Landgemeinde Quickborn Informationsabende für Frauen veranstaltet, die die Lokalpresse wie folgt ankündigte: „Die deutsche Hausfrau übernimmt mit der Einstellung einer fremdvölkischen Arbeitskraft eine völkische Aufgabe. Fragen und Schwierigkeiten tauchen auf, die bis vor dem Krieg unbekannt waren und die stets so gelöst werden müssen, daß unser Volk gefördert wird und in Zukunft gesichert ist. Hierzu sind Aufklärungen bzw. ist eine Schulung erforderlich. Zur Unterrichtung werden Aussprachenachmittage eingerichtet, zu deren Teilnahme jede Hausfrau, in deren Betrieb eine fremdvölkische Arbeitskraft arbeitet, verpflichtet ist.„[2]
Dennoch gab es in Quickborn mehrere Vorfälle, bei denen die gewünschte Distanz zu den Kriegsgefangenen nicht gewahrt wurde. Die 17-jährige Hausgehilfin Julis Wallrabenstein, die auf dem Hof Gronau bei dem Landwirt Micheelsen arbeitete, verurteilte das Landgericht Itzehoe am 2. Januar 1942 wegen verbotenen Umgangs mit einem französischen Kriegsgefangenen zu vier Monaten Gefängnis.[3] Wegen des gleichen Deliktes wurde die Ehefrau Else Dittmer vor dem Amtsgericht Elmshorn verurteilt. Sie hatte im Juni 1943 in der Bahn einen „verbotenen“ Kontakt mit einem Kriegsgefangenen, woraufhin sie eine Haftstrafe von zwei Monaten anzutreten hatte.[4]
Ein weiterer Fall eines illegalen Umgangs mit einem „Fremdvölkischen“ stellte sich bei einer Durchsuchung von französischen Kriegsgefangenen anlässlich des Wechsels des Kriegsgefangenenlagers im November 1942 heraus.[5] Hierbei fanden sich bei dem 29-jährigen Franzosen Pierre Georgy fünf Briefe, die er von einer deutschen Verehrerin erhalten hatte. Anschließende Verhöre ergaben, dass der französische Kriegsgefangene mit der gleichaltrigen Hildegard Friedrichsen aus Quickborn ein Verhältnis unterhielt. Sie war mit dem Bäcker Herbert Friedrichsen verheiratet, der in der Kieler Straße in der väterlichen Bäckerei arbeitete und zeitweise als Soldat eingezogen war. Der französische Kriegsgefangene und die Bäckersfrau waren beide bei der Mühle Rugenbergen in Bönningstedt beschäftigt, wo sie sich heimlich Briefe austauschten. Außerdem kam es zu gegenseitigen Geschenken und unbeobachteten Verabredungen.
Am 17. März 1943 wurde Hildegard Friedrichsen wegen harmloser Kontakte zu einem Ausländer vor dem schleswig-holsteinischen Sondergericht zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt. Das Urteil war für die damalige Zeit verhältnismäßig glimpflig. Strafmildernd bewertete das Gericht: „Einen schweren Fall hat das Gericht nicht angenommen, da es, wie die Angeklagte unwiderlegt behauptet, nicht zum Geschlechtsverkehr zwischen ihr und dem Kriegsgefangenen gekommen ist, sie auch von ihrem Ehemann Verzeihung erlangt hat.“
Die Strafe trat sie im April 1943 im Frauengefängnis Lübeck an. Nach einer Haftzeit von sechs Monaten wurde die Reststrafe auf Bewährung ausgesetzt. Welche Strafe der französische Kriegsgefangene erhielt, ist nicht bekannt.
Autor: Waltraud Sengerhoff, Jörg Penning