Heinrich Wellenbrink (1896-1974), späterer Bürgermeister

Portraitfoto Heinrich Wellenbrink, aus: "Wiedereinführung der Kreistage Halle und Wiedenbrück vor 75 Jahren" auf: www.deutsche-digitale-bibliothek.de
Rundschreiben der SPD Uetersen kurz vor der Gemeindewahl 1929 an Hausangestellte, in: Akte A II 26 im Stadtarchiv Uetersen.
17. November 1929
Lohe 19, Uetersen

Heinrich Karl Wellenbrink wurde am 23. Januar 1896 in Oldendorf bei Halle/Westfalen geboren. Seine Eltern waren der Landwirt und Zimmerer Wilhelm W. und Katharina W. geb. Vossmeier. Nach dem Besuch der Volksschule durchlief er 1910-1913 eine Ausbildung bei der Amtsverwaltung Brakel. 1913/14 war er als Anwärter und Gehilfe dort beschäftigt. 1914 wechselt Wellenbrink in die Amtsverwaltung von Wanne in Westfalen als Amtssekretär. Am 30. März 1915 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger und war seit dem 8. Juli 1915 Soldat. Nach Kriegsende kehrte er auf die zuletzt besetzte Position zurück. Seit dem 1. November 1922 war Wellenbrink als Obersekretär in der Stadtverwaltung Uetersen beschäftigt[1].

Am 27. Juli 1923 heiratete er Anna Luise Olga geb. Stanke; Tochter Olga Ingeborg Erna wurde am 1. April 1927 in Uetersen geboren[2]. – Nach seiner Amtsenthebung als Bürgermeister im Jahr 1933 zog Wellenbrink nach Bremen, wo er seinen Lebensunterhalt als Vermögensverwalter bestritt[3]]. 1938 und 1939 trat er den beiden größten NS-Massenorganisationen bei – „… ein Zugeständnis an die Machthaber, um seinen Beruf ausüben zu können …“[4].

Zwischen 1945 und 1946 war Heinrich Wellenbrink zuerst kommissarischer Landrat und dann Oberkreisdirektor im Kreis Halle (Westfalen)[5].

Heinrich Wellenbrink starb am 18. Mai 1974 in Bremen[6].

Bei den Kommunalwahlen 1924 und 1929 wurde Wellenbrink auf der SPD-Liste zum Stadtverordneten in Uetersen gewählt[7]. – Die Vorschrift, wonach ein städtischer Bediensteter nicht gleichzeitig Stadtverordneter sein konnte, war bereits 1919 aufgehoben worden[8].

Anfang 1930 verzichtet er auf das Mandat als Stadtverordneter, weil er bereits am 3. Dezember 1929 zum Beigeordneten (= stellv. Bürgermeister und Mitglied des Magistrats) gewählt worden war[9].

Am 16. März 1930 fand die Direktwahl des Bürgermeisters statt. Heinrich Wellenbrink kandidierte und wurde mit 2.336 von 2.576 Stimmen zum Bürgermeister für die nächsten 12 Jahre gewählt (= 90,6 %). Die beiden Gegenkandidaten erhielten zusammen 240 Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 56,6 %[10]. Die Amtseinführung des neuen Bürgermeisters fand am 30. April 1930 statt[11].

Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten hatte Wellenbrink mit mehreren Versuchen, ihn des Amtes zu entheben, zu kämpfen gehabt: So soll er sich im Laufe seiner Amtszeit ‚amtswidrig und pflichtvergessen‘ verhalten haben. Das Disziplinarverfahren zog sich vom 18. Februar 1931 bis zum 30. September 1935 hin.“[12] Dieses Verfahren wurde vom Nationalsozialisten Willy Bauth[13], der selbst von 1929 bis 1933 Stadtverordneter war, bei der Altonaer Staatsanwaltschaft angestrengt[14]. Während der vierjährigen Dauer des Verfahrens änderte sich dessen Ziel: zu Beginn ging es um die Suspendierung des Bürgermeisters, nach seiner Amtsenthebung am 25. März 1933 und seiner Entlassung aus dem öffentlichen Dienst im April 1933 ging es darum, „… ihm nun kein Ruhegehalt mehr zahlen zu müssen.“[15]

Über das Disziplinarverfahren hat C. Schubert sehr ausführlich geschrieben. – Von sieben Beschuldigungen im Jahr 1935 wurde Wellenbrink von der Dienststrafkammer nur in einem Fall für schuldig befunden, jedoch nicht verurteilt, weil dieser als nicht so schwerwiegend beurteilt wurde[16].

Bürgermeister Wellenbrink war in Uetersen in Vergessenheit geraten. Erst durch die Forschungsarbeit von C. Schubert ist er wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgekehrt. Der „Heinrich-Wellenbrink-Weg“ wur­de im De­zem­ber 2010 von der Rats­ver­samm­lung der Stadt Ue­ter­sen nach dem ehe­ma­li­gen Bür­ger­meis­ter be­nannt.

Bewertung: Es ist schon erstaunlich, dass ein so breit getragener Bürgermeisterkandidat in so kurzer Zeit Anfeindungen ausgesetzt ist (Disziplinarverfahren ab 1931). Auch eine Personalentscheidung (Verkürzung der Probezeit von A. Hornig 1932) wird sogar öffentlich angeprangert.

Die im Wahlvorschlag „Gerechtigkeit und Wahrheit“ getarnten Nazis hatten zwischen 1929 und 1933 nur vier von 18 Mandaten in der Stadtverordnetenversammlung; sie waren eindeutig in der Minderheit. Mit Hilfe der örtlichen Presse konnten sie jedoch Druck in der öffentlichen Meinung gegen die Sozialdemokraten aufbauen, der noch über 1933 hinaus wirkte. Diesen bekam neben Wellenbrink und Hornig insbesondere der langjährige Stadtrat Hermann Neuenburg zu spüren – er wurde sogar mit mehreren Anklagen überzogen.

Erhard Vogt, Überarbeitung Juli 2024

Veröffentlicht von Erhard Vogt am

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