Geschäftsstelle der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV)

Weihnachtsbescherung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt Quickborn (Pinneberger Tageblatt, 24.12.1936)
Pinneberger Tageblatt, 10.04.1934
Zeitungsanzeige Reichsstraßensammlung (Pinneberger Tageblatt 01.11.1940)
Pinneberger Tageblatt, 21.12.1933
Quickborn - Kieler Straße, 1937 (Foto: Pinneberger Tageblatt 06.01.1937); Transparentaufschrift: 'Wer gibt nichts in die Spendenbüchse? Der Spießer und der Meckerfritze'
Kampstraße, Quickborn

Im September 1933 wurde im Haus von Franz Schnell in der Kampstraße, Ecke Heinrich-Lohse-Straße eine Geschäftsstelle der Ortsgruppe der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) eingerichtet,[1]. Später wechselte die Ortsgeschäftsstelle in das Haus von Walter Kahle in der Straße Am Mühlenberg Nr. 9 und 1941 in das „Gustloffhaus“ in der Querstraße.[2] Leiter der Orts- als auch der Kreisgeschäftsstelle der NSV war nach der Machtübernahme 1933 zunächst der 30-jährige Kaufmann und NSDAP-Mitglied Georg Behrens.[3] Wenig später wurde der Gastwirt des Holsteinischen Hofes Heinrich Schildt „Ortsgruppenamtsleiter“, der dieses Amt 1937 aus Gesundheitsgründen an den Lehrer Ernst Langeloh abgab,[4] der wiederum von dem Lehrer Albert Laesch abgelöst wurde.[5] In Quickborn-Heide war zunächst der Gärtner Walter Exner Leiter der NS-Volkswohlfahrt des Ortsteils, der dieses Amt im Oktober 1933 an den Maurer Walter Lehmann abgab.[6]

Die NSV war mit 17 Mio. Mitgliedern nach der Deutschen Arbeitsfront die größte und in der Öffentlichkeit bekannteste NS-Massenorganisation. Sinn und Zweck der NSV war eine Wohlfahrtspflege nach nationalsozialistischen Prinzipien, nach denen nicht das Individuum, sondern die rasse- und erbbiologische Volksgemeinschaft hervorzuheben war.[7]

Zu der NSV gehörte als zusätzliche Unterstützung in den Wintermonaten das Winterhilfswerk (WHW). Das WHW unterhielt in der Landgemeinde eine „Kartothek“, in der jeder Bedürftige aufgeführt war. Auf 20 zu betreuende Personen kam ein Wohlfahrtspfleger, worunter sich besonders viele Lehrer befanden.[8] Diese sollten „eng zusammenarbeiten mit der Gemeinde, dem Fürsorgeverband und der NS-Volkswohlfahrt, da nur dann jeder Bedürftige gefunden wird und ganze Arbeit geleistet werden kann.[9] Im Winter 1936 betreute das WHW in Quickborn etwa 400 Haushalte.[10]

Zu den Tätigkeitsbereichen der NSV-Ortsgruppe Quickborn gehörten neben dem WHW die Organisation der „Kinderlandverschickungen, bei denen z.B. 1938 mehrere Kinder aus dem „angeschlossenen“ Österreich in der Landgemeinde einen Erholungsurlaub verbrachten.[11] Im Schuljahr 1939/1940 nahmen insgesamt 96 Schüler aus Quickborn selbst an der „Kinderlandverschickung“ teil.[12] Neben den Kindern kümmerte sich die NSV besonders um Mütter, denen sie Urlaubsreisen ermöglichte[13] und für deren Nachwuchs im September 1939 ein NSV-Kindergarten eröffnet wurde.[14] Beliebt waren darüber hinaus auch die Weihnachtsfeiern speziell für die älteren Einwohner Quickborns, wie z.B. im Jahr 1938. Hieran beteiligten sich 250 Personen, die neben Ansprachen des NSV-Leiters und des NSDAP-Ortsgruppenleiters mit Weihnachtsliedern, Aufführungen und Gedichten unterhalten wurden.[15]

Der Hauptbetätigungsbereich der NSV lag jedoch in der karitativen Arbeit für die sozial Schwachen. Über eine Weihnachtsbescherung für Bedürftige, bei der die NSV insgesamt elf Zentner Lebensmittel verteilte, berichtete das PT: „Bei dieser Gelegenheit hat man es empfunden, was es heißt, sich in den Dienst des Volkes zu stellen, und mancher von uns wird es empfunden haben, wie der Begriff Volksgemeinschaft richtig aufgefasst sein will. Nur solche Momente können dem, welcher ernstlich gewillt ist, seine Kraft in den Dienst des Volkes zu stellen, immer wieder neuen Mut für den Kampf um den wahren deutschen Volksstaat verleihen. Wenn jeder deutsche Staatsbürger unter Voranstellung des Wortes: „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ in dem Sinne an sich selbst arbeitet, so braucht niemanden um Deutschlands Zukunft Sorge mehr zu überkommen.[16]

Die Mittel für die Betreuung von Kindern, Müttern, Alten und sozial Bedürftigen kamen durch intensive Spendensammlungen zusammen, denen sich kaum jemand entziehen konnte, der nicht als „Feind der Volksgemeinschaft“ gebranntmarkt werden wollte. Oftmals war mit der Spende der Erwerb von Abzeichen verbunden, die z.B. den Aufdruck „Wir spenden“ [17], bestimmte Weihnachtsmotive[18] oder Figuren aus dem Märchen „Max und Moritz“ [19] zeigten und durch die sich in der Öffentlichkeit Spender und vor allem Nicht-Spender erkennen ließen.

Bei den Spendeneinsammlungen wurden zudem nach vorgefertigten Wohnlisten vorgegangen. So hieß es bei einer Kleiderspendensammlung der NSV durch die SA in einem Aufruf: „Es wird gebeten, alle entbehrlichen Sachen zur Abholung bereit halten zu wollen, und zwar in sauberen Zustand. SA-Leute werden mit Listen von Haus zu Haus vorsprechen, gleichzeitig wird ein Wagen vorfahren, auf dem die zugedachten Sachen abtransportiert werden.[20] Aber vor allem der öffentliche Druck nötigte die Einwohner dazu, eine erwünschte Spendenbereitschaft an den Tag zu legen. Als im Januar 1937 eine „Reichsstraßensammlung“ durchgeführt wurde, bei der die Sammler ein Transparent mit der Aufschrift „Wer gibt nichts in die Sammelbüchse? Der Spießer und der Meckerfritze!“ [21] mitführten (siehe Bild), dürfte sich wohl kaum ein Einwohner der Spendenaufforderung entzogen haben.

Die bekannteste in der Winterzeit regelmäßig veranstaltete Spendenaktion waren die „Eintopfsammlungen“, nach denen die Bewohner an den Sonntagen ein günstiges Eintopfgericht einem teuren Sonntagsbraten vorziehen und den Differenzbetrag für das Gemeinwohl spenden sollten. Die Heimatpresse kündigte diese „Eintopfsammlungen“ mit den Worten an: „Es wird der Erwartung Ausdruck gegeben, daß alle Einwohner Quickborns durch freudiges Geben am „Eintopf-Sonntag“ des Winterhilfswerkes 1935/36 wahre Volksgemeinschaft in Erscheinung treten lassen.[22] Dabei bemühten sich die Spendeneintreiber, die Ergebnisse stets zu übertreffen: „Jeder denke daran, zu diesem Weihnachtseintopf eine Spende mehr zu geben als am letzten Eintopfsonntag.[23]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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