Dr. Gustav Lahrssen – Leiter des „Reichsbundes der Kinderreichen“

Harksheider Weg, Quickborn

An der damaligen „Adolf-Hilter-Straße“, heute Harksheider Weg, wohnte Dr. Gustav Lahrssen mit seiner Familie.[1] Lahrssen wurde 1898 in Meggendorf, Kreis Schleswig, geboren und betrieb in Quickborn eine Zahnarztpraxis. Am 1. Februar 1933 trat Lahrssen mit der Mitglieds-Nr. 1442266 der NSDAP bei[2] und wurde Mitglied der SA.[3] Der SA-Standarte 265 diente er für den Kreis Pinneberg als Zahnarzt,[4] wurde örtlicher Sturmführer[5] und schloss sich später dem SS-Sturm 4/III/4 an.[6] Als kirchenfeindlicher Nationalsozialist trat er mit seinen Kindern und seiner Frau, die die NS-Frauenschaft leitete,[7] aus der evangelischen Kirche aus.[8] Ab 1940 wirkte Lahrssen im Gemeinderat mit.[9] Die Organisation „Reichsbund der Kinderreichen“, der er seit Sommer 1939 in Quickborn vorstand,[10] soll im Folgenden genauer vorgestellt werden.

Die Aufgabe des „Reichsbundes der Kinderreichen“, der sich 1941 in „Reichsbund Deutsche Familie – Kamfbund für den Kinderreichtum der Erbtüchtigen“ umbenannte, bestand darin, so Lahrssen auf einer Veranstaltung 1941, „rassen- und bevölkerungspolitische Aktivisten“ zu vereinen, um den „deutschen Familiengedanken“ zu fördern.[11] Die seit September 1934 bestehende Ortsgruppe[12] zählte 60 Mitglieder.[13] Aufnahmeberechtigt waren Personen, die „deutschblütig, erbgesund, geordnet, kinderfroh und kämpferisch eingestellt sind[14] und mindestens vier Kinder hatten.[15] Auf der Gründungsversammlung der Ortsgruppe Quickborn hieß es: „Der Reichsbund der Kinderreichen ist die Front der erbgesunden deutschen kinderreichen Familien, der Kampfbund, der nationalsozialistisches, bevölkerungspolitisches Denken in das Volk tragen will. (…) Er will Auslese der deutsch-arischen, erbgesunden, also vollwertigen kinderreichen Familien. Ihre unbedingte, scharf hervortretende Trennung von den erbkranken, sittlich oder sonst wie belasteten, also minderwertigen Großfamilien ist Voraussetzung für die Lösung der Kinderreichenfrage. (…) Dienst am Volke, Dienst an der Familie sind Ziel und Hauptaufgabe des RDK. Je mehr erbgesunde Familien ein Volk besitzt, umso gesicherter ist seine Zukunft. (…) Die Zahl der Minderwertigen wächst in erschreckendem Maße. Ihre Versorgung hat durch die Ueberspannung des sozial Notwendigen einen solchen Umfang angenommen, daß der Lebensraum der erbgesunden Familie außerordentlich eingeengt ist. Wie sehr die Ausgaben für Minderwertige, Asoziale, Kranke, Schwachsinnige, Geisteskranke, Krüppel und Verbrecher angewachsen sind, ist aus den Kosten zu ersehen, die von Reich, Ländern und Gemeinden zu ihrer Versorgung aufgebracht werden müssen.[16] Auf einer Veranstaltung des Reichsbundes im April 1936 ging ein Redner sogar so weit, diejenigen, die nicht für den gewünschten Nachwuchs sorgten, als „Schmarotzer am Volk“ zu bezeichnen.[17] Öffentlich zu huldigen waren hingegen die kinderreichen Eltern. So übernahm Adolf Hitler die Patenschaft für das 13. Kind des NSDAP-Blockleiters[18] und Reichsbund-Mitglieds[19] Heinrich Reher, was lobenswert in der Presse verkündet wurde.[20] Für das 15. Kind erhielt er ein „Ehrenbuch für Kinderreiche“ überreicht.[21]

Zu den Aktivitäten der Organisation gehörten u.a. das Abhalten von „Sippenstunden“, in denen Ahnenpässe, Sippentafeln und Familienchronologien angelegt werden konnten. Ziel dieses Vorhabens sei es, so Lahrssen: „Hierdurch wird insbesondere sinnfällig vor Augen geführt, wie eng das deutsche Volk durch gemeinsame Ahnen zusammenhängt, und wie sehr die deutsche Volksgemeinschaft nicht nur eine Lehre, sondern eine auf biologischen Erkenntnissen fest ruhende Tatsache ist.[22]

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ sich Dr. Gustav Lahrssen in Bönningstedt nieder.[23]

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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