Bleekerstift – ehem. Krankenhaus der Stadt Uetersen – Zwangsarbeiterinnen mussten hier entbinden

Ansicht des Bleekerstifts um 1940, Foto: R. Schweim (Stadtarchiv Uetersen C II 656)
Ansicht der Bleekerstr. 9 - 5 im Jahr 2023 (Foto: E. Vogt)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
Stolpersteinverlegung am 4. März 2023 (Foto: J. Penning)
7. Oktober 1943
Bleekerstr. 5, Uetersen

Kopfstein Bleekerstift

Unter der Adresse „Bleekerstr. 5“ war über viele Jahre das „Bleekerstift“ zu finden – das Krankenhaus der Stadt Uetersen. Es wurde 1874 eingeweiht und geht zurück auf eine Stiftung der Eheleute Bleeker. 130 Jahre später wurde das Krankenhaus – inzwischen als Teil der Regio-Kliniken des Kreises Pinneberg – geschlossen. 2018 wurde der Gebäudekomplex abgerissen, um Platz für die jetzige Wohnbebauung zu machen.

Auf dem Gelände des „Bleekerstiftes“ gab es im Zweiten Weltkrieg eine Baracke, in der ausländische Patienten untergebracht waren. Ab Februar 1943 mussten Zwangsarbeiterinnen aus dem Kreis Pinneberg hier ihre Kinder entbinden[1].

Wir kennen die Namen von 15 ausländischen Kindern, die hier im Krankenhaus verstorben sind. Für zwei Kinder haben wir 2019 im Tornescher Weg 5-7 Stolpersteine verlegt.

Wir erinnern an das Schicksal dreier Säuglinge, deren Mütter als polnische Zwangsarbeiterinnen in Bilsen und in Rellingen arbeiten mussten.

Der Kopfstein, der am 4. März 2023 verlegt wurde, trägt die Inschrift:

HIER STAND DAS EHEMALIGE

BLEEKERSTIFT

KRANKENHAUS DER STADT UETERSEN

ZWANGSARBEITERINNEN VERSCHIEDENER

NATIONEN AUS DEM KREIS PINNEBERG

MUSSTEN HIER AB 1943 ENTBINDEN

Die Patenschaft für den Kopfstein haben die Ortsvereine der SPD und von Bündnis90/Die Grünen übernommen.

 

Die einzelnen Stolpersteine

Leo Lokot wurde am 6. Oktober 1943 um 1.10 Uhr in Uetersen im „Bleekerstift“ – dem damaligen Städtischen Krankenhaus – in der Bleekerstr. 5 geboren[2]. Bereits am Tag darauf ist er dort um 21.50 Uhr verstorben[3]. Als Todesursache wird im Sterberegistereintrag „Lebensschwäche“ angegeben. – Wenn die Uhrzeiten in den Registereintragungen richtig sind, dann währte sein kurzes Leben keine zwei Tage. Die Todesursache „Lebensschwäche“ darf auch kritisch gesehen werden.

Die Mutter heißt Wicktoria Lokot; sie wurde 1915 in Makzsinski, Kreis [4], geboren. Sie stammt aus Schlesien im heutigen Polen, ist katholisch und arbeitet als Landarbeiterin in Bilsen. Der Vater wird in den Registereintragungen des Standesamtes nicht genannt. Leo ist das zweite Kind seiner Mutter[5]. Über das Schicksal der Mutter war nichts weiter in Erfahrung zu bringen. „Die Mutter ist in den Meldebüchern von Bilsen nicht zu finden.“[6]

Leo wurde am 11. Oktober in Uetersen auf dem Neuen Friedhof „still“, d.h. ohne Trauerfeier, im Grab Nr. 24 bzw. im „RG 24 K“ (= Reihengrab für Kinder Nr. 24)[7] beigesetzt. Die Beerdigung ist im Beerdigungsregister der Kirchengemeinde Uetersen mit dem Hinweis „ungetauft“ dokumentiert[8]. Das Grab ist auf dem Friedhof nicht mehr auffindbar.

Am 4. März 2023 wurden für Leo und seine befreite Mutter Stolpersteine in der Bleekerstr. 5 verlegt. Die Inschriften lauten:

LEO LOKOT

GEB. 6.10.1943

TOT 7.10.1943

 

WICKTORIA LOKOT

JG. 1915

POLEN

 ZWANGSARBEIT

BEFREIT

Die Patenschaft für diese Stolpersteine haben Dirk und Marc Woschei, Uetersen, übernommen.

Christel Matuszak wurde am 11. Dezember 1943 um 23.20 Uhr in Uetersen im „Bleekerstift“ – dem damaligen Städtischen Krankenhaus – in der Bleekerstr. 5 geboren[9]. Bereits am 14. Dezember ist sie dort um 5.40 Uhr verstorben[10]. Als Todesursache wird im Sterberegistereintrag „Lebensschwäche bei Eklampsie[11] der Mutter“ angegeben. – Wenn die Uhrzeiten in den Registereintragungen richtig sind, dann währte ihr kurzes Leben keine drei Tage. Die genannte Todesursache darf auch kritisch gesehen werden.

Die Mutter heißt Johanna Matuszak; sie wurde 1924 in Hohensalza[12] geboren. Sie stammt aus Posen im heutigen Polen, ist katholisch und arbeitet in Rellingen. Der Vater wird in den Registereintragungen des Standesamtes nicht genannt. Christel ist das erste Kind ihrer Mutter[13].

Christel wurde am 20. Dezember in Uetersen auf dem Neuen Friedhof „still“, d.h. ohne Trauerfeier im Grab Nr. 26 beerdigt[14]. Die Beerdigung ist im Beerdigungsregister der Kirchengemeinde Uetersen mit dem Hinweis „ungetauft“ dokumentiert[15]. Das Grab ist nicht mehr vorhanden.

Über die Mutter, Johanna Matuszak, lassen sich im Archiv in Bad Arolsen online noch zwei Dokumente finden[16]:

  • In einer Liste der Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein ist sie verzeichnet[17]: als Geburtsort ist „Ausee“ vermerkt; es kann sich dabei nur um „Amsee“ (jetzt Janikowo) handeln. Johanna Matuszak war vom 23. Februar 1941 bis zum 15. Februar 1942 in Rellingen beschäftigt; ein Arbeitgeber wird nicht genannt.
  • Von ihr ist eine Meldekarte der Stadt Pinneberg überliefert[18]: danach ist sie eine Hausgehilfin, ledig und katholisch; am 24. November 1944 „v. (von) Rellingen, Eichenstr. 14[19]“ am 14. Dezember 1944 in die Moltkestr. 19 (Eggerstedt) zur Anmeldung gelangt.

Schriftliche Anfragen bei der Stadt Pinneberg und bei der Baumschule Hermann Stoldt am 30. November 2022 haben zu keiner Antwort geführt.

Am 4. März 2023 wurden für Christel und ihre befreite Mutter Stolpersteine in der Bleekerstr. 5 verlegt. Die Inschriften lauten:

CHRISTEL MATUSZAK

GEB. 11.12.1943

TOT 14.12.1943

 

JOHANNA MATUSZAK

JG. 1924

POLEN

1941 ZWANGSARBEIT

BEFREIT

Die Patenschaft für Christels Stolperstein hat Elsa Plath, Uetersen, übernommen; die Patenschaft für den Stein ihrer befreiten Mutter Vera Pilniok, Heidgaben.

Zbiegniew Blazejewski[20] wurde am 23. April 1945 um 8 Uhr in Uetersen im „Bleekerstift“ – dem damaligen Städtischen Krankenhaus – in der Bleekerstr. 5 geboren[21]. Bereits um 12 Uhr des gleichen Tages ist er dort verstorben. Als Todesursache wird im Sterberegistereintrag „Frühgeburt (36 cm)“ und „Lebensschwäche“ angegeben[22]. – Wenn die Uhrzeiten in den Registereintragungen richtig sind, dann dauerte sein kurzes Leben nur vier Stunden. Die Todesursache „Lebensschwäche“ darf auch kritisch gesehen werden.

Seine Mutter heißt Stanislawa Blazejewska; sie wurde 1923 in Immenhof geboren[23]. Sie ist Polin / stammt aus Polen[24], ist Baumschulenarbeiterin und wohnt in Rellingen. Ein Vater ist in den Registereintragungen des Standesamtes nicht genannt.

Über das Schicksal der Mutter war nichts weiter in Erfahrung zu bringen. Bei der Gemeinde Rellingen haben sie „… keine Eintragungen gefunden[25].

Zbiegniew wurde in Uetersen auf dem Alten Friedhof Grab-Nr. 164 beerdigt[26]. Das Grab ist nicht mehr vorhanden.

Am 4. März 2023 wurden für Zbiegniew und seine befreite Mutter Stolpersteine in der Bleekerstr. 5 verlegt. Die Inschriften lauten:

ZBIEGNIEW

BLAZEJEWSKI

GEB. 23.4.1945

TOT 23.4.1945

 

STANISLAWA

BLAZEJEWSKA

JG. 1923

POLEN

ZWANGSARBEIT

BEFREIT

Die Patenschaft für Zbiegniews Stolperstein hat Bernd Szwirblatt, Uetersen, übernommen; die Patenschaft für den Stein seiner befreiten Mutter Nana Helten, Uetersen.

Erhard Vogt, März 2023

Veröffentlicht von Erhard Vogt am

Kommentieren Sie den Beitrag

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert **

*

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Navigiere zu
Themen
  • Arbeitslager
  • Ereignis
  • Jugend
  • Nazi-Organisation
  • Person
  • Verfolgung
  • Widerstand
  • Alle Kategorien aktivieren