1. Preis – WETT­BE­WERBS­BEI­TRAG: We­del heu­te und Be­zug zum Fried­rich Ebert-Stein

11. März 1933
Rat­haus­platz, We­del

We­del- die schö­ne Ro­land­stadt an der Elbe, zieht je­des Jahr tau­sen­de Tou­ris­ten an.
Wer mit Bus oder Bahn an­kommt und den We­de­ler Rat­haus­platz in Rich­tung der Bahn­hof­stra­ße über­quert, trifft hier auf ein bron­ze­nes Stadt­mo­dell We­dels, das es auch Blin­den er­mög­licht, sich eine Vor­stel­lung der Stra­ßen und Wege zu ver­schaf­fen.
Weit we­ni­ger Auf­merk­sam­keit fin­det ein Stein mit ei­nem Halb­re­lief Fried­rich Eberts ganz in der Nähe. Da­bei hat ge­ra­de die­ser eine be­weg­te und in­ter­es­san­te Ver­gan­gen­heit, die es wert ist, nä­her be­trach­tet zu wer­den.

We­del im Jah­re 1932. Zu die­sem Zeit­punkt hat die auf­stre­ben­de Ro­land­stadt rund 7500 Ein­woh­ner und ist am Ex­pan­die­ren.
1930 be­gann der We­de­ler Un­ter­neh­mer Theo­dor Jo­hann­sen mit dem Bau ei­ner meh­re­re Stra­ßen um­fas­sen­den und gleich­na­mi­gen Sied­lung im süd­li­chen We­del. Wäh­rend im Jahr 1932 auf dem „Hei­li­gen­geist­feld“,Erd­ar­bei­ten vor­ge­nom­men wur­den, stieß man auf ei­nen gro­ßen Find­ling, also ei­nen durch Glet­scher ins In­nen­land trans­por­tier­ten Fels­bro­cken.
Der ehe­ma­li­ge Ent­de­ckungs­ort liegt heu­te zwi­schen der Goe­the-und Theo­dor-Jo­hann­sen-Stra­ße.
Mit­glie­der der in We­del ver­tre­te­nen „Ei­ser­nen Front“ ver­frach­te­ten den Stein dar­auf­hin mit ei­ge­ner Kraft aus dem Bau­ge­biet, um ihn für ihre Zwe­cke zu nut­zen. Die Ei­ser­ne Front wur­de 1931 ge­grün­det und war ein Zu­sam­men­schluss meh­re­rer so­zi­al­de­mo­kra­ti­scher Grup­pie­run­gen mit dem Ziel der Er­hal­tung der Wei­ma­rer Re­pu­blik und der Ver­hin­de­rung ei­ner na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Macht­über­nah­me. Der Stein wur­de vor die Ar­bei­ter­sport­hal­le ge­bracht, wel­che die heu­ti­ge Sport­hal­le in der Berg­stra­ße ist. Dort wur­de der Bild­hau­er Hans Lis­sow von der We­de­ler SPD da­mit be­auf­tragt, ein stei­ner­nes Ab­bild von Fried­rich Ebert in den Find­ling ein­zu­mei­ßeln.
Da 1932 ein Drit­tel der Be­völ­ke­rung We­dels Mit­glie­der in der SPD wa­ren oder Sym­pa­thie für die­se zeig­ten, soll­te der Stein eine sym­bo­li­sche Be­deu­tung für die Lie­be zur De­mo­kra­tie dar­stel­len.

Der 1925 ver­stor­be­ne So­zi­al­de­mo­krat Fried­rich Ebert war seit 1912 im Deut­schen Reichs­tag ak­tiv und wur­de 1913 ne­ben Hugo Haa­se Vor­sit­zen­der der SPD. Kurz vor Aus­bruch des 1. Welt­krie­ges be­für­wor­te­te er die Kriegs­kre­di­te des Reichs­ta­ges, wel­che den Deut­schen Kriegs­ein­tritt im Au­gust 1914 er­mög­lich­ten.
Die­se Hal­tung spal­te­te die SPD und brach­te vie­le in­ne­re Un­ru­hen mit sich. Nach Kriegs­en­de wur­de Ebert am 21. Au­gust 1919 zum ers­ten Reichs­prä­si­den­ten der Wei­ma­rer Re­pu­blik ver­ei­digt. Die­ses Amt hielt er bis zu sei­nem plötz­li­chen Tod, auf­grund ei­ner Blind­darm­ent­zün­dung, im Jah­re 1925 inne.
In rech­ten Krei­sen wur­de er seit Amts­an­tritt als Volks­ver­rä­ter be­zeich­net, da er im Jah­re 1918 ei­ner der Lei­ter des lin­ken Ja­nu­ar­streiks ge­we­sen war, wel­cher dem Deut­schen Heer und des­sen er­hoff­tem Sieg in den Rü­cken fiel und der Dolch­stoß­le­gen­de so­mit gro­ße Nah­rung gab.
Für die Ei­ser­ne Front je­doch war Ebert ein Volks­held ge­we­sen und ver­kör­per­te die de­mo­kra­ti­schen Ide­en we­sent­lich stär­ker als sein Nach­fol­ger Paul von Hin­den­burg.

Der voll­ende­te Fried­rich-Ebert-Stein zeigt den Kopf sei­nes Na­mens­ge­bers und ent­hielt die In­schrift:
„Un­se­rem gro­ßen To­ten 1871-1925“.
Zu die­sem Zeit­punkt stan­den die deut­schen Reichs­tags­wah­len im Juli 1932 an und die po­li­ti­sche Si­tua­ti­on in ganz Deutsch­land und auch in We­del war an­ge­spannt. Dem­nach sa­hen sich Mit­glie­der der Ei­ser­nen Front von An­fang an ge­zwun­gen, den Stein vor Van­da­lis­mus durch rech­te Grup­pen Tag und Nacht zu be­wa­chen.
Der in We­del in­zwi­schen er­stark­ten NS­DAP, wel­che be­reits 40% der Wäh­ler­stim­men er­reich­te, war der Stein ein Dorn im Auge, da er ei­nen gro­ßen po­li­ti­schen Geg­ner ehr­te.

Nach­dem die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten am 30. Ja­nu­ar 1933 die Macht in Deutsch­land über­nah­men, kam es auch in We­del zu gro­ßen Um­brü­chen. Am 11. März wur­de am Rat­haus fei­er­lich die Ha­ken­kreuz­fah­ne auf­ge­zo­gen, SA-Mit­glie­der wur­den der Po­li­zei zu­ge­teilt und auch Bür­ger­meis­ter Ha­rald Lad­wig trat kurz dar­auf der NS­DAP bei.
Nun wa­ren die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten in der Lage, den Ebertstein und das ge­sam­te Ge­län­de der Ar­bei­ter­sport­hal­le zu be­schlag­nah­men und rund um die Uhr zu be­wa­chen.

In der Nacht auf den 10 Juni wur­de der Ebertstein je­doch schwer be­schä­digt. Dem Ebert-Pro­fil hat­te man die Nase ab­ge­bro­chen und auch Do­ku­men­te, wel­che im So­ckel ein­ge­mau­ert wa­ren wur­den ge­stoh­len. Dass die Tat von SA-Mit­glie­dern be­gan­gen wor­den war, wur­de ver­sucht zu ver­schlei­ern und so­mit wur­de nie­mand zur Re­chen­schaft ge­zo­gen.
Die We­de­ler Be­völ­ke­rung war über­ra­schend be­drückt und zu­gleich auf­ge­bracht über die Miss­hand­lung des Stei­nes. Auf­ge­brach­te Mit­glie­der der SPD fo­to­gra­fier­ten den be­schä­dig­ten Stein, was laut We­de­ler Po­li­zei il­le­ga­len Pro­pa­gan­da­zwe­cken die­nen soll­te. So sa­hen sich die Be­am­ten be­rech­tigt, de­ren Fo­tos und Ka­me­ras zu be­schlag­nah­men.
Aus­lö­ser war ein Droh­schrei­ben ei­nes So­zi­al­de­mo­kra­ten, wel­cher da­mit droh­te, die von ihm ge­mach­ten Bil­der 1000­fach zu ko­pie­ren und im Um­land zu ver­öf­fent­li­chen.
Dar­auf­hin ord­ne­te Bür­ger­meis­ter Lad­wig an, dass der Stein Tag und Nacht von SA-Leu­ten be­wacht wer­den und mit ei­ner Pla­ne be­deckt wer­den sol­le, um ihn vor wei­te­ren Überg­rif­fen zu schüt­zen.
Dies war aber le­dig­lich ein Vor­wand um zu ver­hin­dern, dass auf­ge­brach­te Bür­ger wei­te­re Bil­der des be­schä­dig­ten Stei­nes ma­chen konn­ten. Doch Stadt-und auch Lan­des­rat war be­wusst, dass die­se Maß­nah­men nicht aus­rei­chen wür­den, der Stein muss­te ver­schwin­den.

In We­del und des­sen Um­land wur­den Mei­nun­gen und Vor­schlä­ge ein­ge­holt, was man mit dem Stein ma­chen sol­le. Je­doch nahm eine Lö­sung „im In­ter­es­se des Rei­ches“ eine Men­ge Zeit in An­spruch und auch 1934 stand der Ebertstein noch im­mer an der sel­ben Stel­le.
Die gän­gigs­ten Ide­en den Stein los­zu­wer­den wa­ren des­sen Spren­gung, Um­ge­stal­tung oder Ver­sen­kung. Eine Spren­gung des Stei­nes war un­mög­lich, zum ei­nen we­gen des­sen un­güns­ti­ger Lage an der Sport­hal­le und zum an­de­ren aus Na­tur­schutz­grün­den be­züg­lich von Find­lin­gen.
Die Wie­der­ver­wen­dung des Ebert-Stei­nes wur­de von Bür­ger­meis­ter Lad­wig ab­ge­lehnt, denn selbst wenn der Ebert-Kopf ent­fernt und durch eine pas­sen­de­re Per­son er­setzt wer­den wür­de, so wäre der Stein be­reits ent­weiht. Eine Ver­sen­kung in der Elbe wur­de eben­falls aus­ge­schlos­sen.
Im Herbst 1935 kam man letzt­end­lich zu dem Ent­schluss, ein gro­ßes Loch di­rekt vor dem Stein aus­zu­he­ben und ihn dort, in der Berg­stra­ße, ein­zu­gra­ben. So ver­schwand der „Stein des An­sto­ßes“ nach bei­na­he 3 Jah­ren end­lich aus den Au­gen der NS­DAP, je­doch stell­te es ei­nen gro­ßen Ver­lust für die We­de­ler SPD da.

Nach Ende des 2.WK schien die Zeit reif zu sein, den Fall des Fried­rich-Ebert-Stei­nes wie­der auf­zu­neh­men. Am 14. No­vem­ber 1946 trug der neue Bür­ger­meis­ter Hein­rich Schacht ei­nen An­trag der SPD vor, wel­cher vor­sah, den Stein wie­der an sei­nem al­ten Platz auf­zu­stel­len. Dies sol­le auf Kos­ten der ehe­ma­li­gen Mit­glie­der der NS­DAP ge­sche­hen, wel­che die­se Un­tat da­mals be­gin­gen.
Die Wie­der­auf­nah­me der Er­mitt­lun­gen be­züg­lich der Stein-Schän­dung von 1933 blieb letzt­end­lich er­folg­los und es konn­ten kei­ne Tat­ver­däch­ti­gen ge­fun­den wer­den, wel­che für die Kos­ten der Wie­der­auf­stel­lung auf­kom­men soll­ten. So muss­te die Stadt We­del den Pro­zess in Höhe von 3500 Reichs­mark über­neh­men.
Im Mai 1947 wur­de der Stein letzt­end­lich ge­ho­ben und das Pro­fil Eberts von Egon Lis­sow, dem Sohn des ehe­ma­li­gen Bild­hau­ers, Hans Lis­sow, wie­der­her­ge­stellt. In­fol­ge­des­sen stell­te die SPD den An­trag, den Stein an ei­nem für ihn wür­di­ge­ren Ort auf­zu­stel­len, näm­lich vor dem We­de­ler Rat­haus.

Hier steht der Fried­rich-Ebert-Stein noch heu­te mit der neu­en In­schrift „FRIED­RICH EBERT ERS­TER REICHSPRÄSI­DENT 1919 – 1925“
Eine Ta­fel vor dem Stein er­in­nert an des­sen Ver­gan­gen­heit:

„DIE­SER GE­DENK­STEIN WUR­DE IM JAH­RE 1932 IM AUF­TRA­GE DER WE­DE­LER AR­BEI­TER­SCHAFT VON HANS LIS­SOW GE­SCHAF­FEN
IM JAH­RE 1933 VON SA LEU­TEN BESCHÄDIGT UND VER­SENKT, WUR­DE ER IM JAH­RE 1947 WIE­DER­ER­RICH­TET UND VON EGON LIS­SOW NEU­GE­STAL­TET
DER STEIN MAHNT VÖLKER­VERSTÄNDI­GUNG, SO­ZIA­LE GE­RECH­TIG­KEIT UND FREI­HEIT SIND DIE ZIE­LE DER DE­MO­KRA­TIE FÜR DIE ABER­TAU­SEN­DE
IN DER UN­TER­DRÜCKUNG FA­SCHIS­TI­SCHER WILLKÜR STAR­BEN“

QUEL­LEN: spd-net-sh.de, www.abend­blatt.de, Le­ben­di­ges Mu­se­um On­line, Chris­ti­ne Pie­per – Wi­der­stand in We­del 1933-1935, Stadt­ar­chiv We­del

Bild-und Vi­deo­ma­te­ri­al: Stadt­ar­chiv We­del, Bri­tish Pa­thé, Pon­d5 Pu­blic Do­main

Ver­fas­ser: Mark Schel­len­berg (17, Jo­hann-Rist-Gym­na­si­um, 10 Klas­se (EjB), We­del)

Mit freund­li­cher Un­ter­stüt­zung von:
Chris­ti­an Kar­schau (16, Jo­hann-Rist-Gym­na­si­um, 10 Klas­se (EjB), We­del)
Frau Anke Ran­negger (Stadt­ar­chiv We­del)
Dr. Thies Bit­ter­ling (Hei­mat­for­scher)

Veröffentlicht von Jörg Penning am

Ein Hinweis zu “1. Preis – WETTBEWERBSBEITRAG: Wedel heute und Bezug zum Friedrich Ebert-Stein”

  1. wolfgang manzke sagt:

    Ein in­ter­es­san­ter Be­richt!
    Vie­len Dank an die Be­tei­lig­ten Er­stel­ler!

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