Richard Weise – Verfolgung sozialer Außenseiter

Sterbeurkunde Richard Weise
Rüdiger und Rose Weise-Wittgenstein vor dem Stolperstein (Foto: Jörg Penning, 2010)
Stolpersteinverlegung für Richard Weise, 27.02.2009 (Foto: Jörg Penning)
Stolpersteinverlegung für Richard Weise, 27.02.2009 (Foto: Jörg Penning)
9. März 1937
Lerchenweg, Quickborn

Der Stolperstein für Richard Weise

HIER WOHNTE
RICHARD WEISE
JG. 1889
VERHAFTET MÄRZ 1937
BUCHENWALD
´HEILANSTALT´
PIRNA-SONNENSTEIN
ERMORDET 15.7.1941

 

Richard Weise,  geboren am 1. Dezember 1889 zog am27. Februar 1937 mit seiner Familie von Egenbüttel nach Quickborn-Heide in den Lerchenweg/Grandweg.  Bereits am 9. März 1937 wurde er auf Anordnung der Hamburger Polizei festgenommen und ins Altonaer Gefängnis in „Vorbeugehaft“ genommen.  In Vorbeugehaft kamen Personen, die mehrfach straffällig geworden waren und aufgrund der bloßen Vermutung einer Wiederholungstat verhaftet und eingesperrtwurden.  Die Regeln dafür fanden sich im „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ vom 24. November 1933. Von Altona aus wurde Richard Weise an das KZ Buchenwald bei Weimar überführt und dort im Block 45 für „Berufsverbrecher“ inhaftiert.

Richard Weise war Redakteur und freier Schriftsteller. Ein Typ, der den Vorstellungen der Nationalsozialisten vom angepassten Menschen nicht entsprach und deshalb seine Arbeit verlor. In der Folge wurde er kränklich und galt fortan als „Arbeitsscheuer“. Fast schon ein Todesurteil in dieser erbarmungslosen Zeit.  Richard Weise war bis kurz vor seiner Ermordung am 15. Juli 1941 im KZ Buchenwald.

Ein Brief vom 19. Juni 1939, nach über 2 Jahren Haft an den Quickborner Pastor Metzendorf zeigt die ganze Verzweiflung und Hilflosigkeit.  Er schrieb: „Mein lieber Herr Pastor! Bitte sie herzlichst, doch mal in die Heide nach dem Grandweg zu gehen und festzustellen: was eigentlich mit meiner armenFrau und meinen vier kleinen Buben los ist. Seit einem sehr lieben Brief von Ostern 1939 bin ich ohne jede Nachricht über Frau und Kinder …. Bitte um schnellste Nachricht, wie bitter sie auch sei“.  Der Pastor hat nicht geholfen, im Gegenteil, er schaltete den NS-Amtsvorsteher ein, aus Angst, verdächtigt zu werden, einem Sträfling geholfen zu haben.  Aber auch die Ehefrau hielt den Druck nicht aus. Sie ließ sich scheiden, verkaufte das Grundstück und zog mit den Kindern nach Hamburg.

Richard Weise wurde nach über 4 1/2 Jahren aus dem KZ Buchenwald in die Euthanasieanstalt Sonnenstein bei Pirna verbracht und dort am 15. Juli 1941 ermordet.  Ganz genau lässt sich die Todesursache nicht mehr ermitteln. Aber nach allen Recherchen wurden die Häftlinge für die Euthanasieanstalt Sonnenstein noch am Tage ihrer Einlieferung ermordet, da es in Sonnenstein keine ausreichende Lagerkapazität gab.

Das „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“  vom 24.11.1933 erlaubte es, äußerst harte Strafen gegen „gewohnheitsmäßige Kriminelle“ und „Asoziale“ zu verhängen. Als „Asoziale“ wurden Personen bezeichnet, denen man „gemeinschaftswidriges Verhalten“ vorwarf. Die Entscheidung lag bei den Ordnungs- und Polizeibehörden.  Personen, die Straftaten begangen hatten, und mindestens 3x vorbestraft waren, wurden zur „Erziehung durch körperliche Arbeit“ in ein KZ eingeliefert. Aber auch Personen, die keine strafbaren Handlungen begangen hatten, konnten in „Vorbeugehaft“ genommen werden und in Konzentrationslager verschleppt werden. Sie wurden als „Berufsverbrecher“ bezeichnet. Dabei genügte die bloße Vermutung einer Wiederholungstat.  Im Frühjahr 1937 erfolgte eine Verhaftungswelle, in deren Verlauf „Berufs-und Sittlichkeitsverbrecher“ in Konzentrationslager gebracht wurden.  In Quickborn wurde im Zuge dieser Aktion der Redakteur Richard Weise in das KZ Buchenwald verschleppt und nach 4 1/2 Jahren Haft ermordet.

Veröffentlicht von Jörg Penning am

Ein Hinweis zu “Richard Weise – Verfolgung sozialer Außenseiter”

  1. Ulrich Baumann sagt:

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    im Rahmen einer vom Bundestag beschlossenen Ausstellung über die als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ im Nationalsozialismus Verfolgten sind wir an weiteren Informationen zu der Geschichte von Richard Weise und an Kontakt zur Angehörigen interessiert.
    Mit freundlichem Gruß
    Dr. Ulrich Baumann
    Stellvertr. Direktor
    Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas

  2. Monica Weise sagt:

    Richard Weise is my grandfather. I appreciate this information. We have various documents about his time in the camps, letters from his wife asking about him, etc.

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