Karl Christian Haase (1893-1968), Hafenarbeiter – von den Nazis verfolgt, angeklagt und verurteilt

3. Februar 1936
Heisterkampstr. 29, Uetersen

Angeklagter im sechsten Offenborn-Prozess (Geschäftsnummer 10.0.Js.143.35.F.). Verurteilung am 03.02.1936 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 4 Jahren Zuchthaus, 4 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit der Polizeiaufsicht.

Carl Christian Haase wurde am 08.06.1893 in Uetersen als Sohn des Arbeiters Ludwig Hinrich Matthias Haase (1866-1932) und seiner Ehefrau Catharina geb. Seemann (1867-1941) geboren; die Eltern wohnten im Kleinen Sand 20.[1]

Am 26.05.1923 hat Carl Haase in Uetersen die Haustochter Frieda Christina Beeck aus Rabstedt in Dänemark geheiratet, die am 25.11.1898 in Weesries (Kreis Schleswig-Flensburg) geboren wurde. Trauzeugen sind sein Vater und der Landmann Emil Wieser aus Rabstedt.[2]

Am 28.02.1929 wird Tochter Traute geboren, die bereits an ihrem 2. Geburtstag stirbt. Die Eltern wohnen auch im Kleinen Sand 20.[3]

Am 21.09.1932 wird Sohn Ludwig geboren, der am 28.07.1936 im Bleekerstift verstirbt. Die Eltern wohnen jetzt in der Heisterkampstr. 38.[4] Weitere Kinder sind nicht bekannt.

1936 übt Karl Haase den Beruf eines Hafenarbeiters aus.

Haase ist einer von elf Angeklagten im sechsten Offenborn-Prozess (Geschäftsnummer 10.0.Js.143.35.F.). Die Hauptverhandlung des 3. Strafsenats des Kammergerichts Berlin findet am 31.01., 01. und 03.02.1936 in Hamburg statt. Die Verurteilung erfolgt am 03.02.1936 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 4 Jahren Zuchthaus, 4 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit der Polizeiaufsicht.

Unter „Gründe“ wird im Urteil ausgeführt, dass Haase „… im Jahr 1923 5 Militärgewehre und etwa 230 Schuss Munition des Arbeiter- und Soldatenrats Uetersen von seinem Schwager Nuke, welcher Soldatenrat gewesen war, erhalten (hat). Er hat diese in seiner Wohnung aufbewahrt.“[5] Diese wurden von ihm und anderen 1933 in eine Kiste gepackt und „… auf dem Acker des Heldberg vergraben ..“[6]. Ferner hat Karl Haase „… im Jahre 1930 bis 1932 Militärpistolen 08 mit Munition, die er von dem Kommunisten Retslag erhalten hatte, an Kommunisten verkauft.“[7]

Unter „Strafbemessung“ werden im Urteil seine politischen Aktivitäten zusammengefasst:

„.. Karl Haase war Mitglied der KPD seit 1923, 1930 war er etwa 1 Jahr lang Pol. Leiter. Von1927 bis 1929 war er Mitglied des RFB[8], wo er den Posten eines T-Leiters bekleidete. Seit Sommer 1932 war er Leiter des Erwerbslosenausschusses in Uetersen. Nach dem Umbruch war er zunächst Unterkassierer einer Zelle. Vom 24. April bis zum 22. Mai 1933 und von Anfang bis gegen Ende Juli 1933 befand er sich in Schutzhaft. Nach seiner Entlassung nahm er alsbald wieder an illegalen Treffs teil, auch zahlte er bis zu seiner Festnahme Beiträge an die KPD. Er kaufte auch illegale Schriften. Im April 1934 schaffte er 2 Abzugsapparate, die der KPD gehörten, von Somieski zu Franz Kristen. Außer dieser umfangreichen illegalen Betätigung nach dem Umbruch fällt ihm aber besonders erschwerend zur Last, dass er Militärpistolen 08 an Kommunisten verkauft hat, dass er für die KPD Militärgewehre und Munition beschafft, dieses Waffendepot beaufsichtigt und ergänzt hat und 1933 das Vergraben der Waffen veranlasst hat, hieran sich beteiligt hat und somit dafür Sorge getragen hat, dass die Waffen der KPD auch fernerhin zur Verfügung standen.“[9]

Es folgt dann der Schlusssatz in der Sprache der Nazi-Richter: „Bei der Stärke seines verbrecherischen Willens musste bei ihm auf eine Zuchthausstrafe von 4 Jahren erkannt werden.“[10]

Laut Adressbuch 1950 wohnen die Eheleute im „Kl. Sand 20“[11].

Ehefrau Frieda Haase, geb. Beeck, stirbt am 31.05.1963 in Uetersen.[12]

Karl Haase wohnte zuletzt in der Heisterkampstr. 40 und ist am 03.06.1968 in Uetersen verstorben.[13]

 

Erhard Vogt, Mai 2016

 

[1] Vgl. Geburtsregister StA Uetersen Nr. 87/1893 und Beerdigungsregister der Kirchengemeinde Uetersen Nr. 52/1932 und Nr. 55/1941.

[2] Vgl. Heiratsregister StA Uetersen Nr. 23/1923

[3] Vgl. Beerdigungsregister der Kirchengemeinde Uetersen Nr. 20/1931; Grundlage ist die Bescheinigung des StA Uetersen-Stadt Nr. 27/1931. Die Todesursache lässt sich über den Standesamtseintrag nicht ermitteln, weil sie erst ab dem 01.07.1938 eingetragen wurden (vgl. eMail des Standesbeamten A. Marten vom 03.05.2016 an den Verf.).

[4] Vgl. Beerdigungsregister der Kirchengemeinde Uetersen Nr. 50/1936; Grundlage ist die Bescheinigung des StA Uetersen-Stadt Nr. 66/1936.

[5] Urteil des 3. Strafsenats des Kammergerichts Berlin vom 03.02.1936 (Geschäftsnummer 10.0.Js.143.35.F.), im Stadtarchiv Elmshorn.

[6] Ebda.

[7] Ebda.

[8] RFB = Roter Frontkämpferbund, die paramilitärische Kampforganisation der KPD von 1924 bis 1929 (vgl. Wikipedia).

[9] Urteil des 3. Strafsenats des Kammergerichts Berlin vom 03.02.1936 (Geschäftsnummer 10.0.Js.143.35.F.), im Stadtarchiv Elmshorn.

[10] Ebda.

[11] Vgl. Brütt/Scharfenstein, Uetersen und seine Einwohner, Uetersen 1995, S. 85.

[12] Vgl. Randnotiz im Heiratsregister StA Uetersen Nr. 23/1923.

[13] Die personenbezogenen Daten stammen aus einer Recherche des Standesamtes Uetersen im Mai 2014 und im April 2016.

Veröffentlicht von Erhard Vogt am

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