Juli 1932: SA- und SS-Ter­ror ge­gen die Ar­bei­ter­be­we­gung in Elms­horn und Um­ge­bung es­ka­liert

Reichenstraße 7, die Gaststätte Schütterow, ein beliebtes Arbeiterlokal, hier war auch das Büro der KPD untergebracht, Fotograf unbekannt (StAE)
Das "Moritzsche Haus in der Reichenstraße 5, im Hintergrund das ehemalige Kibek-Hochhaus, Bild aus den 1970er Jahren (StAE)
Elmshorner SA- und SS- Angeklagte vor dem Sondergericht in Altona, Elmshorner Nachrichten vom 9. November 1932. In der Mitte vermutlich Wilhelm Grezesch (StAE)
Max Wriedt, ermordet im KZ Fuhlsbüttel (StAE)
31. Juli 1932
Rei­chen­stra­ße 7, Elms­horn

Im Juli 1932 be­gann die NS­DAP auch in Elms­horn den Kampf um die Macht zu füh­ren – der Na­zi­ter­ror es­ka­lier­te. Mit­te Juni war die nur zwei Mo­na­te vor­her er­las­se­ne Not­ver­ord­nung „Zur Si­che­rung der Staats­au­to­ri­tät“, also das SA- und SS-Ver­bot, auf­ge­ho­ben wor­den. Der Rund­funk mel­de­te: „Nunmehr können auch die SS- und SA-Verbände der nationalsozialistischen Bewegung wieder aufleben und sich ebenso wie alle anderen mit ihr auf dem Boden der Verfassung und der Staatsordnung stehenden Organisationen wieder betätigen.[1]

  1. Juli 1932: Der Anschlag auf die Gaststätte „Schütterow“

Was das be­deu­te­te, liest sich in den Elms­hor­ner Nach­rich­ten so: „Ein Bombenanschlag wurde heute Nacht 1.40 Uhr auf das Haus des Herrn Schütterow in der Reichenstraße ausgeführt. Herr Schütterow hatte seine Gaststätte schon abgeschlossen und war dabei, die Fenster zu schließen. Als er das Küchenfenster, das nach der Rosenstraße liegt, zumachen wollte, sah er ein Auto vom Wechselplatz kommen. Die Insassen des Autos hatten sich erhoben und schossen aus Revolvern mehrere Schüsse gegen das Haus. Gleich darauf erfolgte ein starker Knall, der in der weiteren Umgebung zu hören war. Wie sich herausstellte, war eine Handgranate geworfen worden. Die Spuren sind am Kantstein der Straße zu sehen… Die Fenster in dem Haus sind vom ersten Stock bis in die Giebel sämtlich zertrümmert von dem Luftdruck. Auch in dem Speicher von Peter Kölln und in dem Wohnhaus des Fuhrunternehmers Herrn Sönnichsen sind einige Scheiben gesprungen. Von den Tätern hatte man bis heute Mittag noch keinen gefaßt.“[2]

Am Nach­mit­tag des 31.7. wa­ren aus­ge­such­te Mit­glie­der des SS-Stur­mes 2 III/​4 von ih­rem Füh­rer Wil­helm Gre­zesch aus Elms­horn in El­ler­ho­op zu­sam­men­ge­zo­gen wor­den. Aus ei­ner spä­te­ren An­kla­ge­schrift hieß es hier­zu: “Bei dieser Gelegenheit erklärte Grezesch, daß etwas unternommen werden müsse, um die Gegner zu reizen und dann auf sie loszuschlagen. …
Es müsse jetzt gehandelt werden, gleichgültig, wie die Wahl ausfalle. Während der Nacht zwischen 1 und 2 Uhr müßten in Elmshorn, Uetersen, Barmstedt und Pinneberg gegen Verkehrslokale der KPD oder des Reichsbanners oder gegen andere Häuser links gerichteter Personen Handgranaten geworfen werden. Dies geschehe auf Anordnung der Führung. Die Gauleitung übernehme für jeden etwa dabei verunglückenden Beteiligten die Verantwortung. Die Anschläge würden in ganz Deutschland etwa zur gleichen Zeit ausgeführt werden.
” (An­kla­ge­schrift zum Spreng­stoff­pro­zess, Lan­des­ar­chiv Schles­wig, Abt. 301, 22861)

Die Gast­stät­te Schüt­te­row war ein be­lieb­tes Ar­bei­ter­lo­kal, wo auch das Büro der KPD un­ter­ge­bracht war. Ähn­li­che An­schlä­ge in die­ser Nacht zu den Reichs­tags­wah­len vom 31. Juli 1932 fan­den dann auch in Ue­ter­sen, Barm­stedt und Pin­ne­berg statt.

  1. Juli 1932: „Die Schlacht um die Ollnsstraße“

Nur eine Wo­che zu­vor, in den Vor­mit­tags­stun­den des 24. Juli pro­vo­zier­te die NS­DAP ge­zielt mit ei­ner Wahl­pro­pa­gan­da­ak­ti­on in der Ollns­stra­ße. Hier wohn­ten vie­le So­zi­al­de­mo­kra­ten und stadt­be­kann­te Kom­mu­nis­ten, z.B. Jo­han­nes Of­fen­born und der KPD-Stadt­ver­ord­ne­te Pe­ter Ha­sen­berg. Sich die­ser Pro­vo­ka­ti­on be­wusst, hat­te die NS­DAP 14 Elms­hor­ner SS-Män­ner mit die­ser Auf­ga­be be­traut. Wäh­rend ein Teil von Haus zu Haus eil­te und Flug­blät­ter ver­teil­te, fuh­ren zwei mit dem Wa­gen vor­aus und ver­teil­ten Pro­pa­gan­da­schrif­ten an die Pas­san­ten. Am Ende der Ollns­stra­ße sam­mel­te man sich, um ge­schlos­sen den Rück­marsch an­zu­tre­ten. An der Ecke zur Ein­mün­dung in die Eich­stra­ße stie­ßen sie auf eine sich in­zwi­schen ver­sam­mel­te Grup­pe von 40-50 Kom­mu­nis­ten.[3]

Für die da­ma­li­ge Jus­tiz be­zeich­nen­der­wei­se wur­den in ei­nem spä­te­ren Pro­zess im De­zem­ber 1932 we­gen der po­li­ti­schen Zu­sam­men­stö­ße in der Ollns­stra­ße – im­mer­hin gab es meh­re­re Ver­letz­te – nicht die Na­zis, die in der Stra­ße pro­vo­zier­ten, son­dern die An­woh­ner und Ge­gen­de­mons­tran­ten an­ge­klagt. Sechs Kom­mu­nis­ten wur­den von dem Land­ge­richt und spä­te­ren Son­der­ge­richt Al­to­na zu Ge­fäng­nis­stra­fen von 4 Mo­na­ten bis zu ei­nem Jahr ver­ur­teilt.[4]

We­gen der Bom­ben­an­schlä­ge wur­den im No­vem­ber 1932 ca. 40 Na­zis aus Elms­horn und Um­ge­bung, Al­to­na und meh­re­ren Or­ten Schles­wig-Hol­steins an­ge­klagt. Zu den An­ge­klag­ten, die der SA oder der SS an­ge­hör­ten, ge­hör­ten aus Elms­horn der Schiffs­bau­er Otto Dür­wald, der Gärt­ner Wil­helm Gre­zesch (Füh­rer der Elms­hor­ner SS), der Schorn­stein­fe­ger Erich Jepp, der Kauf­mann Gün­ther Hol­feld und der Bank­lehr­ling Har­ry Kel­ler. We­ni­ge Tage vor Ur­teils­ver­kün­dung wur­de Gre­zesch, der zu sechs Jah­ren Zucht­haus als ei­ner der Haupt­an­ge­klag­ten ver­ur­teilt wer­den soll­te, im Nach­rück­ver­fah­ren NS­DAP-Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ter, stand da­mit un­ter der Im­mu­ni­tät. Schon vier­zehn Tage spä­ter mel­de­ten die Elms­hor­ner Nach­rich­ten die Haft­ent­las­sung von Gre­zesch.[5]

An­ders er­ging es Max Wriedt, dem Orts­lei­ter des „Rot­front­kämp­fer­bun­des“. Er war von den Elms­hor­ner Na­tio­nal­so­zia­lis­ten bei der Ge­sta­po de­nun­ziert wor­den, da man ihn ver­däch­tig­te, bei der „Schlacht in der Ollns­stra­ße“ mit sei­nem Zim­mer­manns­ham­mer Wil­helm Gre­zesch schwe­re Kopf­ver­let­zun­gen zu­ge­fügt zu ha­ben. Ohne Nach­weis sei­ner Schuld kam er ins KZ. In Fuhls­büt­tel fol­ter­ten ihn SS-Wach­mann­schaf­ten so schwer, dass er am 21. Ja­nu­ar 1935 an den Fol­gen der Miss­hand­lun­gen starb.

  1.  Juli 1932: Der „Blutsonntag“ von Altona

Zur Ein­ord­nung der Elms­hor­ner Er­eig­nis­se ge­hört die groß­an­ge­leg­te SA-Pro­vo­ka­ti­on, die sich eine Wo­che vor­her, und zwar in der da­mals zur preu­ßi­schen Pro­vinz Schles­wig-Hol­stein ge­hö­ren­den Stadt Al­to­na/​Elbe, ab­spiel­te.

Am 17. Juli 1932 wur­de vom dor­ti­gen Po­li­zei­prä­si­den­ten Otto Eg­ger­stedt (SPD) ein Wer­be­marsch von 7000  aus ganz Schles­wig-Hol­stein zu­sam­men­ge­zo­ge­nen uni­for­mier­ten SA-Leu­ten durch die ver­win­kel­te Al­tona­er Alt­stadt ge­neh­migt. Die­se galt we­gen ih­rer mehr­heit­lich kom­mu­nis­tisch oder so­zi­al­de­mo­kra­tisch wäh­len­den Ar­bei­ter­schaft als „ro­tes Al­to­na“. Etwa 500 hie­si­ge SA-Leu­te wa­ren maß­geb­lich dar­an be­tei­ligt. Die un­ge­heu­er­li­che Pro­vo­ka­ti­on en­de­te in ei­ner Schie­ße­rei mit 18 To­ten und 70 zum Teil Schwer­ver­letz­ten. 16 Men­schen aus der Wohn­be­völ­ke­rung star­ben durch Ku­geln der Po­li­zei.

Der „Blut­sonn­tag“ von Al­to­na wur­de drei Tage spä­ter von Reichs­kanz­ler von Pa­pen da­für ge­nutzt, um die so­zi­al­de­mo­kra­ti­sche Min­der­heits­re­gie­rung Preu­ßens durch ei­nen Staats­streich ab­zu­set­zen. Da­mit war eine der letz­ten Hür­den für die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten auf ih­rem Weg an die Macht aus dem Weg ge­räumt.[6]

Rudi Arendt För­der­ver­ein Ge­gen das Ver­ges­sen – Spu­ren­su­che im Kreis Pin­ne­berg und Um­ge­bung 1933-1945 e.V

[1] „Letz­ter Ab­wehr­ver­such. 1932 Ver­bot Reichs­prä­si­dent Paul von Hin­den­burg SA und SS“, Deutsch­land­funk 13.04.2007

[2] EN vom 1.8.1932 do­ku­men­tiert in  „Elms­hor­ner Ge­schich­te – Elms­hor­ner Ar­bei­te­rin­nen und Ar­bei­ter im po­li­ti­schen Wi­der­stand 1914-1935“, Al­fred Ras­mus­sen, 2011, S.123

[3] Eben­da S. 120

[4] Elms­hor­ner Zei­tung v. 17.12.1932

[5] „Die Frei­heit lebt – An­ti­fa­schis­ti­scher Wi­der­stand und Na­zi­ter­ror in Elms­horn und Um­ge­bung“ Her­bert Diercks, Fritz Bring­mann, 1983, Sei­te 17

[6] „Wer war schuld am Al­tona­er Blut­sonn­tag?“ www.ndr.de/kultur/geschichte/chronologie/blutsonntag107html 16.07.2012

 

Veröffentlicht von Rudi Arendt am

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