Juden auf Helgoland

Helgoland

Eine jüdische Gemeinde hat es nie auf Helgoland gegeben, aber viele jüdische Besucher. Seit der Gründung des Seebads Helgoland war die Insel eine gerade auch von jüdischen Gästen gern besuchte Insel. Eines der wenigen Werke, das das Seebad schon sehr früh rühmte, waren die Erinnerungen an das Seebad auf Helgoland im Jahre 1834, die in Hamburg 1835 veröffentlicht wurden. Der Autor Gotthold Salomon (1784–1862) war Rabbi am Reformtempel in Hamburg und damit eine wichtige Persönlichkeit des liberalen Judentums. Dass Heinrich Heine die Insel früh populär machte, ist allgemein bekannt. Aus dem Badeleben vor 1848 wird berichtet, wie sich jüdische und bürgerliche Gäste gegen den Adel unter den Gästen verbündeten. Es gab aber auch immer wieder antisemitische Bemerkungen in der Badeliteratur über die Juden, die man auf Helgoland zur eigenen Überraschung in der Badegesellschaft traf. Die Besuche von Fanny Lewald und Adolf Stahr sind heute eher unbekannt. Wer ist Jude? Der Diplomat und Schriftsteller Rudolf Lindau (1829 – 1910) war gelegentlich antisemitischen Angriffen ausgesetzt, er hat ein Haus vor dem 1.Weltkrieg auf der Insel besessen – obwohl er sich selbst sicher nicht so einordnete. Auch der Schauspieler und Literat Stefan Vacano (1874-1963) hatte ein Sommerhaus auf der Insel, seine jüdische Familiengeschichte wurde auf Helgoland erst von den Nationalsozialisten diskutiert, als er sein Haus schon längst verkauft hatte. Vor dem 1. Weltkrieg war sein Familienhintergrund belanglos.

Nach dem 1. Weltkrieg war die kaiserliche Badegesellschaft, die das Seebad nach 1890 dominierte, nicht mehr prägend – die Insel war keine Festung mehr, die Marine verschwand. Umso deutlicher traten wieder die jüdischen Gäste hervor. Nun waren die Beziehungen zwischen den Helgoländern und ihren jüdischen Gästen oft sehr eng. Es gibt einige Erzählungen, dass die jüdischen Gäste von den Helgoländern auf dem Festland in ihren Häusern besucht wurden – ihre Dienerschaft verweigerte ihnen auch einmal den Zutritt, weil die Insulaner nicht standesgemäß wirkten. Es gab auch einige Helgoländer, die in jüdische Familien einheirateten. Ökonomisch war Antisemitismus auf Helgoland nie attraktiv, man lebte von diesen Gästen. Anders als auf dem Festland gab es keine Konkurrenzsituation. Die guten Gäste der Insel kamen in dieser Zeit schon oft seit mehreren Generationen, man kannte sich gut und schätzte sich gegenseitig.

Der Nationalsozialismus konnte sich 1929 auf Helgoland installieren durch den sogenannten Wallach-Brief-Skandal. 1925 hatte der  jüdische Bankier Ernst Wallach (1876–1939), der auf Helgoland das Sommerhaus Vacanos übernommen hatte, mit dem Landrat Etzel und anderen den Club von Helgoland, gegründet, hier trafen sich viele jüdische Bankiers mit bedeutenden Politikern des Reichs und verarmten Adligen. Seine Abkürzung CvH wurde auf Helgoland antisemitisch mit „Die Cohns von Helgoland“ übersetzt. Der Club von Helgoland wurde von Landrat Etzel benutzt um gegen die separatistischen Tendenzen der Helgoländer vorzugehen. Wallach hatte – ganz im Sinne des Landrats Etzel – einen Journalisten gekauft, der gegen die Separatisten auf Helgoland heftig anschrieb. Die Nationalsozialisten boten diesen Helgoländern ihre Unterstützung an. Sie inszenierten den Streit als Kampf gegen die Juden, die Helgoland kaufen wollten. Auf der Insel wurden antisemitische Flugblätter verteilt.

Offen antisemitisch und nationalsozialistisch waren auf Helgoland aber nur ausgesprochen wenige Personen, allerdings freute man sich in den separatistischen Kreisen über die Unterstützung durch die NSDAP und den Völkischen Beobachter – sonst fanden sie keine Unterstützung in den Parteien des Festlands.

Auf Helgoland war mit Ernst Wallach ein Mitglied des Vorstands des liberalen Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (CV) vertreten. Georg Siegmann (1869–1944), der spätere Vorsitzende des extrem konservativen Verbandes nationaldeutscher Juden, unterstützte seine Gegner. Er, wie viele andere jüdische Gäste, nahm den Antisemitismus der wenigen Helgoländer nicht ernst und musste es auch nicht. Helgoland galt bis 1933 und darüber hinaus neben Norderney als „Judeninsel“. Hier konnte man noch bis 1935 als Jude relativ ungestört Urlaub machen.

Unter den Insulanern war der Kaufmann Amandus Hamel (1890-1953) der einzige, der vor 1933 schon antisemitistisch angegriffen wurde. Er war Vorsitzender des Sportvereins bis 1933, dann war er als Halbjude nicht mehr tragbar. Angegriffen wurde er aber als Gegner der separatistischen Helgoländer von diesen mit latenten Antisemitismus.

Aber auch eine der wenigen Familien, die schon vor 1933 in der NSDAP aktiv waren, musste die Erfahrung machen, dass sie mit jüdischen Vorfahren für die Partei nicht mehr tragbar war. Es gab einige Helgoländer Familien, die aufgrund ihrer jüdischen Vorfahren, Schikanen ausgesetzt waren und Angst haben mussten. Aber von nur einer  Helgoländer Jüdin, Helene Broders, habe ich gehört: sie verlor 1939 ihren „arischen“ Mann, ging mit ihren halbjüdischen Kindern nach Hamburg und wurde von dort Anfang 1944 mit einer Tochter ins KZ Theresienstadt deportiert. Sie haben überlebt.

Die alten jüdischen Gäste hingegen wurden ins Exil vertrieben oder umgebracht.

 

Quelle:  Eckhard Wallmann, Eine Kolonie wird deutsch, Bredstedt 2012 und ein Manuskript des Autors über die Inselgeschichte

 

 

 

 

 

 

            

 

 

 

Veröffentlicht von Astrid Friederichs am

Ein Hinweis zu “Juden auf Helgoland”

  1. Thomas Kibelksties sagt:

    Guten Tag,

    ich bin sehr froh, den Artikel gefunden zu haben, da er für mein Buchprojekt mit großen Anteilen „Wallach“ wichtig ist. Das ist richtig spannend.
    Leider ist das Beziehungsgeflecht für einen Außenstehenden schwer zu verstehen, und auch das Thema „Wallach-Brief-Skandal“ ist erwähnt, aber nicht erklärt.

    Das Thema ist wichtig, könnte vielleicht jemand ausführlicher uns vom Festland, die wir ja bekannterweise etwas langsamer sind im Verstehen, genauer beschreiben, wie das war, damals ?

    Herzliche Grüße

  2. Petra Hörig sagt:

    Eune sachliche Information. Gut, das ausgesprochen wird, wie es war. Auch Namen werden genannt. Kein Rumgeeiere!
    Vielen Dank
    Gruss
    Petra Hörig

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