Jan Sodczyk – verstorbener polnischer „Zivilarbeiter“

Markierung "Jan", ehemaliger Hof Kolz, Friedenstraße 10 (Foto: Jörg Penning, 2007)
Polenabzeichen (Reichsgesetzblatt)
Grabstein Jan Sodczyk, Städtischer Friedhof Pinneberg (Foto: Jörg Penning, 2007)
Hof Wilhelm Kolz
Stolpersteinverlegung für Jan Sodczyk, 27.02.2009 (Foto: Jörg Penning)
Putzaktion Stolperstein 27.02.2010 (Foto: Jörg Penning)
20. April 1945
Friedenstraße 10, Quickborn

Der Stolperstein für Jan Sodzcyk

HIER WOHNTE

JAN SODZCYK

JG. 1924

VERHAFTET MÄRZ 1945

ARBEITSLAGER KIEL

TOT AN HAFTFOLGEN

20.4.1945

 

(Die Biographie Jan Sodczyk wurde erarbeitet von Schülerinnen und Schülern des Elsenseegymnasiums Quickborn)

Jan Sodczyk wurde am 04.05.1924 im polnischen Baranow geboren. Als 18-jähriger wurde er zur Zwangsarbeit auf den Hof des Landwirts Wilhelm Kolz in Quickborn-Renzel verschleppt. Doch laut Kolz legte er dort „tadelhaftes Verhalten“ an den Tag; statt schlafen zu gehen, spielte er beispielsweise angeblich lieber Karten mit andern Zwangsarbeitern. Auch soll er das Fahrrad des ebenso als Amtsvorsteher tätigen Wilhelm Kolz unerlaubt benutzt haben.

Kolz informierte nach weiteren Auseinandersetzungen mit Sodczyk die Aufsichtsbehörde für Kriegsgefangene über dessen Verhalten. Daraufhin, im Februar 1945, wurde Jan Sodczyk von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) abgeholt und in das Arbeitserziehungslager Nordmark in Kiel verbracht. Dort verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. Nach 6 Wochen wurde er in schlechter körperlicher und sicher auch seelischer Verfassung wieder entlassen und kam zunächst zurück nach Quickborn-Renzel.

Da sich sein Zustand nicht besserte, wurde er Mitte April 1945 in das Kreiskrankenhaus Pinneberg eingeliefert. Die dortige ärztliche Diagnose lautete „Stoffwechselerkrankung mit Ödemen“, eine Diagnose, die die Ursache der Erkrankung im Unklaren läßt. Schon am darauffolgenden Tag, dem 20. April 1945, verstarb Jan Sodczyk im frühen Alter von 20 Jahren an „allgemeiner Schwäche und Kräfteverfall“. Sechs Tage später wurde er auf dem Stadtfriedhof Pinneberg begraben. Auch heute ist sein Grab noch erhalten.  Nach dem Tod Sodczyks nahm Kolz keine Schuld auf sich, sondern machte Sodczyk selbst dafür verantwortlich.

Besuch des Grabes. Bei unseren Recherchen fiel uns auf, dass kein genaues Geburtsdatum in unseren Quellen zu finden war. Etliche weitere Informationen in den Quellen waren dem „Grabbuch Hauptbuch I“ des Pinneberger Stadtfriedhofes entnommen. Um ein exaktes Geburtsdatum herauszufinden, machten wir uns auf den Weg zum Friedhof. Der freundliche Mitarbeiter in der Friedhofsverwaltung ließ uns einen Blick in besagtes Grabbuch werfen (vielen Dank noch mal!).  Nach einiger Zeit der Suche fanden wir den Eintrag Jan Soczyks. Neben dem genauen Geburtsdatum war auch der Geburtsort verzeichnet. Und da sogar angegeben war, wo sich das Grab befindet, machten wir uns auf den Weg, es zu suchen. Dank der genauen Beschreibung des Mitarbeiters entdeckten wir es schon nach kurzer Zeit. Nachdem wir es von Erde und Tannennadeln befreit hatten, konnten wir den Grabstein fotografieren. Für uns ist es gleichermaßen schön und erstaunlich, dass das Grab, wie etliche weitere Gräber von Menschen mit ähnlichen Schicksalen, noch existiert. Offen bleibt für uns die Frage, ob es in Polen noch Angehörige Jan Sodczyks gibt. Vielleicht können wir einen Kontakt herstellen …. auch noch nach so vielen Jahren……

 

Beispiel für eine behördliche Anordnung zur Behandlung polnischer Zwangsarbeiter
Gekürzter Auszug aus einem Brief des Württembergischen Innenministers an den Polizeipräsidenten in Stuttgart, Landräte, Polizeidirektionen und Polizeiamtsvorstände vom 26.2.1941
(Foto Brief des Innenministers siehe oben)

In letzter Zeit häufen sich wieder die Klagen, dass sich die eingesetzten Zivilarbeiter und -arbeiterinnen polnischen Volkstums um die für sie besonders erlassenen Vorschriften vielfach überhaupt nicht kümmern und daß auch das Verhalten ihrer Arbeitgeber und der übrigen deutschen Volksgenossen zu diesen fremdvölkischen Arbeitskräften sehr zu wünschen übrig läßt. […]
4. Es kommt immer wieder vor, dass poln. Zivilarbeiter in unerlaubter Weise Gaststätten benutzen, Fahrräder, oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen, den Aufenthaltsort verlassen, an deutschen oder kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen, das Ausgehverbot übertreten und sich auch ihren Arbeitgebern oder dessen Beauftragten gegenüber in ungebührlicher und anmassender Weise verhalten. In meinen Polizeiverordnungen vom 19. April 1940 (Reg.Bl.S.45) und 22. November 1940 (Reg.Bl. S.79) habe ich eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür geschaffen , dass derartigen Verfehlungen und Auswüchsen polizeilicherseits begegnet werden kann. Jede Ausrede der poln. Arbeitskräfte, die bestehenden Verbote seien ihnen nicht bekannt, ist keinerlei Gehör zu schenken. Ich ersuche vielmehr, Verstöße gegen meine Polizeiverordnungen in der Regel mit Haft zu bestrafen. […]
5. Ich ersuche, poln. Zivilkräften die Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen des Aufenthaltsortes, zur Fahrradbenützung oder zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zu erteilen, damit jedem Missbrauch vorgebeugt ist. […]

Die Art der inneren Einstellung der Polen macht es vielfach notwendig, rücksichtslos durchzugreifen und ihnen zum Teil in nicht mißzuverstehender Weise klar zu machen, wie sie sich zu führen haben. Daß eine gewisse Sonderbehandlung , wenn sie sich nicht unter den Augen der Öffentlichkeit abspielt und nicht über das unbedingt erforderliche Maß hinausgeht, polizeilicherseits nicht zu beanstanden ist, ist selbstverständlich. Falls aber ein Vergehen dieser Art zur Anzeige gebracht werden sollte, so ist die Meldung ohne weitere Erhebungen der Geheimen Staatspolizei, Staatpolizeileitstelle Stuttgart, vorzulegen. […]

 

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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