2. Preis – WETTBEWERBSBEITRAG: Die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in Uetersen

5. Juni 1934
Rathausstr., Uetersen

„Ihrer Vermittlung, für die die ganze Stadt Uetersen Ihnen außerordentlich dankbar ist, ist es gelungen, die Zusage des deutschen Führers zur Annahme der Ehrenbürgerschaft unserer Stadt […] zu erlangen.“[1] Mit diesem Satz begann der damalige Uetersener Bürgermeister Hermann Dölling seinen Dankesbrief, an den NS-Ideologen Julius Streicher im April 1934. Dölling war seit dem Jahre 1933 Mitglied der NSDAP, bekennender Nationalsozialist und Unterstützer des NS-Regimes.[2] Anlass seines Briefes war Streichers Einsatz, der zur Annahme der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in Uetersen führte.

Wie kam es zur Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in Uetersen?

Zu der Ehrenbürgerschaft Hitlers in Uetersen kam es durch eine schriftliche Bitte des damaligen Uetersener Bürgermeisters an Adolf Hitler, er solle Ehrenbürger der Stadt werden. Da Hitler zu dieser Zeit aus mehreren Städten gleichzeitig Anfragen zu Ehrenbürgerschaften bekam, schrieb der Bürgermeister Uetersens einen weiteren Brief an den NSDAP-Funktionär Julius Streicher und bat ihn um seine Bemühungen, die Ehrenbürgerschaft Hitlers in Uetersen zu realisieren. In seinem Brief schrieb Hermann Dölling unter anderem von einer großen Begeisterung innerhalb der Bevölkerung Uetersens, falls Adolf Hitler Ehrenbürger der Stadt Uetersen werden und sogar die Stadt selbst einmal besuchen sollte: „Mit welcher unendlichen Freude würde seine Bevölkerung den Führer begrüßen, wenn er selbst den Gau besucht.“[3] Darüber hinaus versicherte der ehemalige Uetersener Bürgermeister dem NSDAP-Funktionär Streicher, dass der Landesteil Holstein am meisten und am stärksten von allen Landesteilen zu seinem Führer gestanden habe.[4]

Aus diesen Aussagen aus Döllings Brief wird seine Begeisterung für das nationalistische Regime und Adolf Hitler deutlich. Des Weiteren schreibt der ehemalige Uetersener Bürgermeister über einen möglichen Besuch des Führers Nazi-Deutschlands im Norden des Landes, dass er größtes Verständnis dafür zeige, dass Adolf Hitler auf Grund vieler ‚wichtiger‘ Termine und Aufgaben persönlich die Ehrenbürgerschaft nicht annehmen könne. Allerdings würde sich selbst aber und mit ihm, seiner Aussage nach, angeblich auch die Bevölkerung Uetersens, sehr über einen Besuch Hitlers in Uetersen freuen. Diesen könne er nach Döllings Aussage, möglicherweise mit einer geplanten Reise in den Norden Deutschlands verbinden.[5] Darüber hinaus versuchte Dölling bei Adolf Hitler, über seinen Parteigenossen Streicher um einen Besuch in der Rosenstadt zu werben. Uetersen könne zwar keine „hervorragenden Bauten […] aufweisen“, allerdings habe sich die kleine Stadt durch ihre Rosenzucht bereits in ganz Deutschland einen Namen gemacht.

Aufarbeitung der Nachkriegszeit in Uetersen

Was wurde aus der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers nach dem Zweiten Weltkrieg in Uetersen? Diese Frage stellten sich ein paar Schüler der 9. Klasse des Ludwig-Meyn-Gymnasiums in Uetersen vor gut anderthalb Jahren im Rahmen des Schülerfernsehens Uetersen TV.

Ein erster Hinweis wurde im Heimatgeschichtlichen Museum in Uetersen gefunden, wo sich eine handschriftliche Liste aller aktuellen und ehemaligen Ehrenbürger Uetersens befand. Darunter auch: Adolf Hitler. Allerdings konnte sich die Liste weder datieren noch deren Herkunft bestimmt werden. Im Internet fand sich hingegen ein Wikipedia-Artikel, der von einer Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers berichtete. Diese Aberkennung sei von einem „provisorischen Stadtrat“ nach dem Zweiten Weltkrieg aberkannt worden.[6]

Da sich für diese Art der Aberkennung keine weiteren Belege finden ließen, kontaktierten die Schüler die Uetersener Bürgermeisterin Andrea Hansen und fragten bei ihr nach weiteren Informationen zum Status der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers nach. Die Bürgermeisterin Uetersens wollte sich zu dem Status der Ehrenbürgerschaft nicht vor der Kamera äußern und verwies lediglich auf den bereits erwähnten Wikipedia-Artikel.[7] Die Schüler sprachen mit einem Historiker und fragten nach, ob ein derartiger Artikel ausreiche um die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft zu belegen. Dieser verneinte die Frage der Schüler. Ein Eintrag in einem Medium wie Wikipedia reiche nicht als offizieller Beleg für die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft aus.[8] Die Schüler machten darauf hin über langwierige Recherchen den Verfasser des Wikipedia-Artikels ausfindig und führten mit ihm ein persönliches Gespräch. Öffentlich wollte er sich zu seinem verfassten Wikipedia-Eintrag nicht äußern, denn auch er konnte keine Belege für seinen Eintrag anführen. Da die Schüler weder bei der Bürgermeisterin Uetersens noch beim Verfasser des Wikipedia-Artikels fundierte Hinweise auf den aktuellen Stand der Ehrenbürgerschaft Hitlers in Uetersen finden konnten, wendeten sie sich an den Uetersener Bürgervorsteher Adolf Bergmann. Dieser berichtete den Schülern in einem Interview von zwei handgeschriebenen Büchern, die sich im Uetersener Rathaus hätten befinden sollen und die die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft belegen könnten. Jene Bücher seien im Rathaus allerdings unauffindbar.[9]

Währenddessen hatte sich Frau Hansen an den Bundestagspräsidenten Herrn Norbert Lammert gewandt und vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestages ein Gutachten zu der Ehrenbürgerfrage Adolf Hitlers und deren Handhabung in verschiedenen deutschen Städten erhalten. Dieses Gutachten beschrieb ebenfalls die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Hitlers in Uetersen. Allerdings fehlt an dieser Stelle ein Beleg. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages führte für seine Aussage, keine Fußnote an. Auf Grund dessen fragten die Schüler mehrfach beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nach. Dieser teilte den Schülern mit, dass die Ehrenbürgerschaft nach dem zweiten Weltkrieg von einem „provisorischen Stadtrat“ aberkannt worden sei. Belege für die Aberkennung ließen sich, so der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in seiner Antwort, möglicherweise im Uetersener Stadtarchiv finden. Ein Stadtarchiv, welches die Stadt Uetersen laut Landesarchivgesetz eigentlich haben müsste, gibt es allerdings nicht.[10] Demnach ließ sich auch für die These des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kein Beleg anführen.  Auch die Fragestellung, ob eine Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlösche, konnte von den Schülern nicht abschließend beantwortet werden. Nach einer E-Mail der Schüler an das Justizministerium des Landes Schleswig-Holsteines erhielten diese binnen weniger Wochen mehrere E-Mails seitens des Ministeriums, in denen sowohl behauptet wurde, dass Ehrenbürgerschaften mit dem Tode erlöschen, als auch, dass sie trotz des Ablebens eines Ehrenbürgers weiter existieren würden.[11] Somit ist die Ehrenbürgerfrage Adolf Hitlers in Uetersen immer noch ungeklärt, da weder belegende Dokumente noch eine eindeutige Regelung für die automatische Aberkennung der Ehrenbürgerschaft nach dem Tode vorliegt. Abgesehen von den juristischen Fragen wäre eine Aberkennung durch die Ratsversammlung auch ein politisches Zeichen der Distanzierung.

Zu der Aufarbeitung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in Uetersen drehte die AG Regionalgeschichte des Ludwig-Meyn-Gymnasiums einen kurzen Dokumentarfilm, der die unterschiedlichen Rechercheschritte und Ergebnisse noch einmal darlegt und die Probleme in der regionalen Aufarbeitung prägender geschichtlicher Ereignisse thematisiert.

 

Ein Beitrag von Arvid Maiwald, Florian Steig, Batuhan Almaz (10. Klasse), Julian Landmann, Christopher Babecki, Alexander Bleck und Laura Silber (13. Klasse).

 

[1] Brief des ehemaligen Uetersener Bügermeisters Hermann Dölling an den NSDAP-Funktionär Julius Streicher vom 22.06.1934.

[2] H.E. Wolf, Zur nationalsozialistischen Machtergreifung in der Stadt Uetersen – vorläufiger Bericht, Uetersen 1979, S. 21, 24 und 26; H.F. Bubbe, Heimatbuch Uetersen Band II, Uetersen 1939, S. 141.

[3] Brief des ehemaligen Uetersener Bügermeisters Hermann Dölling an den NSDAP-Funktionär Julius Streicher vom 22.06.1934.

[4] Ebda.

[5] Ebda.

[6] Adolf Hitler als Ehrenbürger, auf: https://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler_als_Ehrenb%C3%BCrger [entnommen am 15.11.2015].

[7] E-Mail der Uetersener Bürgermeisterin Andrea Hansen an den Verfasser des Textes.

[8] Interview der Verfasser mit dem Historiker Björn Manthey vom 04.04.2014.

[9] Interview der Verfasser mit dem Uetersener Bürgervorsteher Adolf Bergmann vom 25.03.2015.

[10] Interview der Verfasser mit dem Kommunalpolitiker der SPD Uetersen Erhard Vogt vom 09.07.2015.

[11] E-Mail von Peter Schümann vom Justizministerium Schleswig-Holstein.

Veröffentlicht von Erhard Vogt am

Ein Hinweis zu “2. Preis – WETTBEWERBSBEITRAG: Die Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers in Uetersen”

  1. Erhard Vogt sagt:

    Im Namen der Geschichtswerkstatt des SPD-Ortsvereins gratuliere ich der Schülergruppe des LMG zur Auszeichnung mit dem BERTINI-Preis. Die Beharrlichkeit und die Ausdauer sind besonders lobenswert; sie sollten Nachahmung finden.

  2. wolfgang manzke sagt:

    Hervorragende Arbeit!
    Gratulation an die Schüler (und an den/die begleitenden Lehrer)!

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