Der SS-Zahn­arzt Curt Schäf­fer

26. Juli 1945
Do­ro­the­en­stra­ße 2, Quick­born

Curt Schäf­fer trat ganz in die Fuß­stap­fen sei­nes Va­ters Karl Schäf­fer, der von 1933 bis 1935 in Quick­born die Orts­grup­pe der NS­DAP lei­te­te (sie­he Spur „Karl Schäf­fer – Orts­grup­pen­lei­ter der NS­DAP 1933-1935“).

Nach­dem der 1905 in Ham­burg ge­bo­re­ne Curt Schäf­fer die Real- und Ober­schu­le be­such­te, stu­dier­te er Zahn­heil­kun­de und er­öff­ne­te 1930 in Ham­burg eine ei­ge­ne Zahn­arzt­pra­xis. Im No­vem­ber 1933 trat der da­mals 28-Jäh­ri­ge in die SS ein und 1937 in die NS­DAP. Nach dem Aus­bruch des Zwei­ten Welt­krie­ges war er als An­ge­hö­ri­ger der Waf­fen-SS im SS-La­za­rett in Ber­lin-Lich­ter­fel­de tä­tig, wo er schließ­lich die Lei­tung der Zahn­sta­ti­on über­nahm. Spä­ter wur­de er mit dem Auf­bau der zahn­ärzt­li­chen Ver­so­gung in der „Or­ga­ni­sa­ti­on Todt“ (OT) be­traut.[1] Die OT war eine nach dem Ge­ne­ral­be­voll­mäch­tig­ten für die Bau­wirt­schaft, Fritz Todt, be­nann­te Son­der­or­ga­ni­sa­ti­on des „Drit­ten Rei­ches“, die im Rah­men der Kriegs­wirt­schaft den Bau mi­li­tä­ri­scher An­la­gen und die Pro­duk­ti­on von Rüs­tungs­gü­tern ko­or­di­nier­te und hier­für auch Kriegs­ge­fan­ge­ne und KZ-Häft­lin­ge ein­setz­te.[2]

Nach die­ser Tä­tig­keit wur­de Curt Schäf­fer, wie in dem Spruch­ge­richts­ver­fah­ren in der Nach­kriegs­zeit er­mit­telt wur­de, nach Lub­lin ver­setzt, wo er vier Mo­na­te ver­blieb und die dor­ti­ge Zahn­sta­ti­on der SS führ­te.[3] Im Lub­li­ner Stadt­teil Ma­jdan Ta­tar­ski er­rich­te­te die Waf­fen-SS ab No­vem­ber 1941 ein Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger, das spä­ter als Kon­zen­tra­ti­ons- und Ver­nich­tungs­la­ger für nicht­jü­di­sche und jü­di­sche Po­len so­wie de­por­tier­te Ju­den u.a. aus der Tsche­cho­slo­wa­kei und Slo­we­ni­en dien­te. In der Zeit des Be­ste­hens des KZ Ma­jda­n­ek wa­ren hier ca. 200.000 Men­schen um­ge­kom­men.[4] Mit wel­chen ge­nau­en Ar­bei­ten Curt Schäf­fer hier als SS-Me­di­zi­ner be­traut war, ob er aus­schließ­lich für die zahnärt­z­li­che Ver­sor­gung von SS-An­ge­hö­ri­gen zu­stän­dig war oder auch mit Häft­lin­gen Um­gang hat­te und, wie sei­ne „Kol­le­gen“ im KZ Aus­schwitz, mit der Ver­wer­tung des Zahn­gol­des er­mor­der­ter Häfltin­ge be­traut war,[5] geht aus den vor­han­de­nen Un­ter­la­gen eben­so­we­nig her­vor, wie ge­naue­re An­ga­ben über sei­ne Ar­beit in der Zahn­sta­ti­on des KZ Dach­au.[6]

Die wei­te­re Kriegs­zeit ver­brach­te Curt Schäf­fer bis 1944 als Trup­pen-Zahn­arzt der SS-Di­vi­si­on Nord in Finn­land und er­neut in der Zahn­sta­ti­on der SS in Ber­lin-Lich­ter­fel­de. Von hier aus ließ er sich nach sei­nen An­ga­ben auf ei­ge­nem Wunsch im Mai 1944 zu der „Ak­ti­on Brandt“ ver­set­zen,[7] die in der Heil­an­stalt Bee­litz bei Pots­dam ihre Dienst­stel­le un­ter­hielt.[8] Un­ter der nach Hit­lers Leib­arzt und „Eu­tha­na­sie“-Be­voll­mäch­tig­ten Karl Brandt be­nann­ten „Ak­ti­on Brandt“ fir­mier­te eine Or­ga­ni­sa­ti­on, de­ren Auf­ga­be es war, die me­di­zi­ni­sche Ver­sor­gung in Kriegs­zei­ten zu ko­or­di­nie­ren und in den bom­ben­zer­stör­ten Ge­bie­ten des Deut­schen Rei­ches Aus­weich­kran­ken­häu­ser zu schaf­fen. Hier­bei wur­den auch Heil­an­stal­ten für Men­schen mit psy­chi­schen Er­kran­kun­gen und Be­hin­de­run­gen für ver­letz­te Zi­vi­lis­ten ge­räumt und in an­de­re Ein­rich­tun­gen ver­legt, wo vie­le In­sas­sen durch be­wuss­te Un­ter­ver­sor­gung, man­geln­de Er­näh­rung und Me­di­ka­men­ten­ver­gif­tun­gen um­ge­bracht wur­den.[9] Bis Kriegs­en­de blieb Curt Schäf­fer für die „Ak­ti­on Brandt“ tä­tig.[10]

Aus Ham­burg aus­ge­bombt ver­zog die Fa­mi­lie des zu­letzt zum SS-Haupt­sturm­füh­rer be­för­der­ten Schäf­fer nach Quick­born zu­nächst in den Hark­shei­der Weg zu den El­tern. Am 26. Juli 1945 wur­de Curt Schäf­fer we­gen sei­ner Zu­ge­hö­rig­keit zur SS ver­haf­tet und zu­nächst in das In­ter­nie­rungs­la­ger in Neu­müns­ter und dann in Esel­hei­de bei Pa­der­born ge­bracht. In dem Spruch­ge­richts­ver­fah­ren be­stritt er jeg­li­ches Wis­sen und Be­tei­li­gung an NS-Ver­bre­chen. Er sei im „Elternhaus völlig unpolitisch erzogen worden“ und habe sich „von jeglicher Parteipolitik stets ferngehalten„. In der SS sei er ein­ge­tre­ten, da die po­li­ti­sche Zu­ge­hö­rig­keit bei der Kas­sen­zu­las­sung eine Rol­le ge­spielt habe. „Zwangsläufig“ sei er als SS-Mit­glied 1937 in die NS­DAP auf­ge­nom­men wor­den. In der SS sei er selbst nur als Zahn­arzt tä­tig ge­we­sen, des­sen Auf­ga­be dar­in be­stan­den habe, neu auf­ge­nom­me­ne Mit­glie­der hin­sicht­lich der Ge­biss­ver­hält­nis­se zu un­ter­su­chen. Sei­ne Be­för­de­run­gen in der SS sei­en ohne sein Zu­tun nach ei­ner ge­wis­sen Dienst­zeit ganz au­to­ma­tisch er­folgt. Von der Ju­den­ver­fol­gung will Curt Schäf­fer auch wäh­rend sei­ner Zeit in Lub­lin, in der die Waf­fen-SS Ver­bre­chen an Ju­den be­gang, kei­ne Kennt­nis­se er­langt ha­ben. Zwar sei­en ihm Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger be­kannt ge­we­sen, je­doch habe er „nie über Verübung von Grausamkeiten in solchen Lagern gehört“ und nur „gerüchteweise“ von den Zu­stän­den in die­sen La­gern er­fah­ren. Bei der „Ak­ti­on Brandt“ habe er nur rein or­ga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­ben zu er­fül­len ge­habt.[11]

Da ihm die Spruch­kam­mer des Spruch­ge­richts Bie­le­feld kei­ne kon­kre­te Be­tei­li­gung an ei­nem Ver­bre­chen nach­wei­sen konn­te, kam Curt Schäf­fer glimpf­lich da­von. Das Ge­richt ver­ur­teil­te ihn am 22. Ok­to­ber 1947 we­gen der Zu­ge­hö­rig­keit zu ei­ner ver­bre­che­ri­schen Or­ga­ni­sa­ti­on und ei­ner un­zwei­fel­haf­ten Mit­wis­ser­schaft an NS-Ver­bre­chen zu ei­ner Geld­stra­fe von 500 Reichs­mark, die mit der In­ter­nie­rungs­haft ver­büsst war. We­ni­ge Tage nach der Ver­ur­tei­lung wur­de Curt Schäf­fer aus der In­ter­nie­rungs­haft ent­las­sen.[12] Die Fa­mi­lie ließ sich dau­er­haft in Quick­born nie­der, wo Curt Schäf­fer in der Do­ro­the­en­stra­ße Nr. 2 eine Zahn­arzt­pra­xis be­trieb.[13] Er ver­starb 1976 mit 71 Jah­ren.

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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