Die mit einem Juden verheiratete Anna Jacoby, geb. Badura (Jahrgang 1878) hat, inzwischen verwitwet, 1933 ein Grundstück in Tornesch gekauft und mit einer Laube bebaut. Die Witwe war Mutter von vier Kindern. Anna Jacoby wurde 1939 durch fortwährende Schikanen zum Verkauf gezwungen und lebte nach dem Krieg in Hamburg. [1] Parzellen von Anna und Alice Jacoby (Stenotypistin in Hamburg) lagen laut Grundbuch benachbart im heutigen Pastorendamm. Im Jahr 1940 wurden alle Parzellen einem neuen Eigentümer zugeschrieben. [2]
Die Zeitzeugin Ruth Erlandsson, geb. Brandt, (1928-2012) wohnte ehemals benachbart im Moorreger Weg in einem Siedlungshaus und berichtete im Jahr 2006 von dem Anzünden des jüdischen Wochenendhäuschens Jacoby.[3]
Ruth hat als Kind in den 1930er Jahren bei Jacobys am Pastorendamm gespielt. Die Familie war wahrscheinlich etwas wohlhabender und verfügte auch über Tennisschläger, mit denen die Kinder der Gegend spielen durften. Ruth meint, sie hätten bis etwa 1937 dort noch gespielt, was sie sehr gerne taten. Es gab dort Kakao zu trinken, wie sie erinnert. Später hätte es geheißen, sie sollen da nicht mehr spielen.
Ruth erinnert sich daran, dass die Laube zunächst mit Teer beschmiert wurde, es wurden Judensterne auf die Fenster gemalt. Das Klohäuschen, welches sich draußen befand, wurde beschmiert.
Dann kam die Nacht, in der die Laube angezündet worden ist. Ein Nachbar, der in der gleichen Siedlung wie Ruth am Moorreger Weg wohnte, lief überrascht hin, um zu löschen, es befand sich ein Brunnen auf dem Grundstück. Otto Lausmann und Richard Heer (Ortsgruppenführer NSDAP und Obersturmführer) hätten ihn weggeschickt, er sollte nicht löschen. Das Datum des Verbrechens hatte sich zunächst nicht ermitteln lassen.
Durch die Auswertung der Wiedergutmachungsakte von Anna Jacoby im Landesarchiv in Schleswig im April 2021 kann als Zeitpunkt die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 nachgewiesen werden. [4] Das Holzhäuschen wurde u. a. durch den Ortsgruppenleiter der NSDAP Tornesch, Otto Lausmann, angezündet. Viele Dinge der Inneneinrichtung wurden gestohlen. Bereits im September 1937 war Grundstück und Häuschen übel zugerichtet worden, wie aus der Auflistung von Anna Jacoby hervorgeht: Ein Fenster mit Rahmen war zertrümmert worden, ebenso die Eingangstür und eine Bank. Der Judenstern wurde mit Teer auf das Fenster gemalt. Mit Teer und Unrat übergossen wurden Einrichtungsgegenstände wie Tischtücher, Bett-Überdecken, Wolldecken, Vorhänge, der Küchenschrank etc. Auch in die Wasserpumpe wurde Teer gegossen. Ein kleines Toiletten-Holzhäuschen wurde abgebrochen und umgeworfen. 16 Bäume wurden abgesägt, Johannisbeerbüsche und Obstbäume wurden ausgerissen, Komposterde gestohlen. Von der Dachpappe wurde 1 Meter herausgeschnitten, so dass der Regen ungehindert eindringen konnte.
Nach Angaben von Ruth Erlandsson hat ein Sohn der Familie Jacoby in den 1950er Jahren noch einmal die Stätte seiner Kindheit aufgesucht und habe mit einigen Leuten vor Ort gesprochen. Dies hat im Zusammenhang mit dem von Anna Jacoby seit 1946 angestrebten Wiedergutmachungsverfahren gestanden. Sie beantragte den Rückkauf zum Verkaufspreis von 950 Mark. Sie erreichte ihr Ziel nicht. Im März 1952 nach sechs Jahren nahm sie einen Vergleich, die Zahlung von 300 DM, an.
Autorin des Beitrages: Annette Schlapkohl, Tornesch