27. Juni 1922: Der Elms­hor­ner Bil­der­sturm – Fünf­tau­send pro­tes­tie­ren an­läß­lich des Mor­des an Wal­ter Ra­then­au

Eingangsbereich der Bismarckschule, Ort der Flaggenschändung; Fotograf unbekannt StAE
Dr. Rudolf Bünte, Oberstudiendirektor an der Bismarckschule von 1910-1932; Fotograf unbekannt, Sammlung Rasmussen
27. Juni 1922
Bis­marck­stra­ße 2, Elms­horn

 

Von Yan­nic Di­cken­hau­sen

An­ti­fa­schis­ti­scher Stadt­rund­gang 2016, Sta­ti­on Schul­stra­ße Bis­marck­schu­le Elms­horn

 

Wir be­fin­den uns hier vor der Bis­marck­schu­le, an der es am 27. Juni 1922 zum „Elms­hor­ner Bil­der­sturm“[1]  kam. Drei Tage zu­vor, am 24. Juni wur­de in Ber­lin der  jü­di­sche Au­ßen­mi­nis­ter Walt­her Ra­then­au von Rechts­ex­tre­mis­ten er­mor­det.  In Fol­ge des­sen rück­ten die Ar­bei­ter­par­tei­en wie­der dich­ter zu­sam­men und am Tag sei­ner Bei­set­zung am 27. Juni fan­den in der gan­zen Re­pu­blik De­mons­tra­tio­nen ge­gen rechts statt. Auch in Elms­horn wur­de am Al­ten Markt zu ei­ner De­mons­tra­ti­on auf­ge­ru­fen. Zu der ca. 5000 Per­so­nen ka­men. Alle städ­ti­schen Ge­bäu­de soll­ten zu die­sem An­lass die neue Fah­ne“Schwarz­Rot­Gold“ flag­gen.

An der Bis­marck­schu­le, die seit 1910 durch den stark na­tio­nal-kon­ser­va­ti­ven Schul­lei­ter Dr. Ru­dolf Bün­te ge­führt wur­de,  wur­de auf Ver­an­las­sung des Elms­hor­ner Ma­gis­trats an die­sen Tag zum ers­ten Mal die neue Flag­ge der Re­pu­blik ge­hisst. Zu­vor hat­te sich der Schul­lei­ter im­mer ge­wei­gert und wei­ter die Flag­ge des Kai­ser­rei­ches ge­hisst. Da­bei kam es zu ei­nem Zwi­schen­fall durch Schü­ler, die die Flag­ge ab­nah­men und in den Dreck tra­ten. Die Ge­scheh­nis­se ver­brei­te­ten sich in Win­des­ei­le in ganz Elms­horn und lös­ten bei al­len An­hän­gern der Re­pu­blik gro­ße Em­pö­rung aus. In der so­fort nach dem Vor­fall ein­be­ru­fe­nen Leh­rer­kon­fe­renz ver­such­ten die Schü­ler ihre Tat ab­zu­schwä­chen. Man habe sich die neue Fah­ne der Re­pu­blik nur ein­mal nä­her an­se­hen wol­len und da­bei sei sie in den Dreck ge­fal­len. Bün­te nennt das Gan­ze ei­nen „Dum­men­jun­gen­streich“. Er sieht sich auch be­rech­tigt, die an die Schü­ler aus­ge­hän­dig­te neue Reichs­ver­fas­sung durch Her­aus­schnei­den der Ein­lei­tung zu ver­stüm­meln. [2]

Die In­schutz­nah­me der Tat durch mil­de Stra­fen der Leh­rer­kon­fe­renz stösst in der Ar­bei­ter­schaft auf hef­ti­ge Kri­tik. Eine Ar­bei­ter­ord­nung wur­de in die­ser An­ge­le­gen­heit dann bei Dr. Bün­te vor­stel­lig.

Um sich und sei­ne Schu­le von die­ser Tat zu dis­tan­zie­ren  wird der Schul­lei­ter  dazu auf­ge­for­dert, die De­mons­tra­ti­on mit ei­ner Ro­ten Fah­ne  an­zu­füh­ren. Um si­cher­zu­stel­len, dass der Schul­lei­ter auch wirk­lich mit­macht, soll­te die­ser wäh­rend der De­mons­tra­ti­on von ei­ner De­le­ga­ti­on von Ar­bei­tern aus sei­ner Woh­nung ab­ge­holt wer­den. Um 12 Uhr stell­ten die meis­ten Be­trie­be ih­ren Be­trieb ein um den Be­schäf­tig­ten die Mög­lich­keit zu ge­ben an der De­mons­tra­ti­on teil­zu­neh­men. Die De­mons­tra­ti­ons­rou­te führ­te zu­erst zu der Woh­nung  des Schul­lei­ters um die­sen ab­zu­ho­len. Auf dem Weg kam die De­mons­tra­ti­on an der Spar­kas­se und der Kre­dit­bank vor­bei, in de­nen im­mer noch ge­ar­bei­tet wur­de. Die Be­schäf­tig­ten wur­den dann von der Mas­se dazu ge­zwun­gen, sich der De­mons­tra­ti­on an­zu­schlie­ßen. Bei der Woh­nung des Schul­lei­ters an­ge­kom­men, war die­ser schon zur Bis­marck­schu­le ge­flüch­tet. Dar­auf­hin zog die De­mons­tra­ti­on wei­ter zur Schu­le. Da­bei ka­men sie an dem Ver­lags­ge­bäu­de der da­mals stark rechts­las­ti­gen Zei­tung Elms­hor­ner Nach­rich­ten vor­bei , dran­gen in das Ge­bäu­de ein, zer­stör­ten Bil­der von Kai­ser Wil­helm II und Hin­den­burg und zwan­gen den Ver­lags­lei­ter vor der De­mons­tra­ti­on zu er­klä­ren, dass er in Zu­kunft eine aus­ge­wo­ge­ne­re Be­richt­er­stat­tung ge­währ­leis­tet. An der Schu­le an­ge­kom­men stürm­ten eine Grup­pe von Per­so­nen die Schu­le, zo­gen durch die Klas­sen­zim­mer, ris­sen alle Bil­der und Ge­gen­stän­de aus dem Kai­ser­reich von den Wän­den und schmis­sen sie auf die Stra­ße. An­schlie­ßend wur­de von der Schu­le aus ver­kün­det: “Die Bis­marck­schu­le ist von wil­hel­mi­ni­schen Bil­dern ge­säu­bert.“[3]

 

Die Fol­gen der De­mons­tra­ti­on al­ler­dings wa­ren meh­re­re Ge­fäng­nis­stra­fen we­gen Nö­ti­gung, Land­frie­dens­bruch, Haus­frie­dens­bruch und Sach­be­schä­di­gung. Noch ein drei­vier­tel Jahr spä­ter wur­de da­ge­gen von Di­rek­tor Bün­te in ei­ner all­ge­mei­nen Leh­rer­kon­fe­renz ei­ner der be­tei­lig­ten Schü­ler in Schutz ge­nom­men und die Schän­dung der Fah­ne der Re­pu­blik als „un­über­leg­te Hand­lung in ei­ner po­li­tisch hoch­be­weg­ten Zeit“ ab­ge­tan. Die­ser sei „das Op­fer der un­glück­li­chen po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se ge­wor­den.“ [4]

[1] Al­fred Ras­mus­sen, Der „Elms­hor­ner Bil­der­sturm“ in „Elms­hor­ner Ar­bei­te­rin­nen und Ar­bei­ter im po­li­ti­schen Wi­der­stand 1914 – 1935, Elms­hor­ner Ge­schich­te, Hrsg. Mi­cha­el Pla­ta, Horst 2011

[2] Bis­marck­schu­le Elms­horn, Pro­to­kol­le der Sit­zun­gen des Leh­rer­kol­le­gi­ums, Band 1 1921-1923, 27. Juni 1922

[3] Elms­hor­ner Nach­rich­ten vom 28.6.1922, zi­tiert nach Al­fred Ras­mus­sen „Der Elms­hor­ner Bil­der­sturm“

[4] Bis­marck­schu­le Elms­horn, Pro­to­kol­le der Sit­zun­gen des Leh­rer­kol­le­gi­ums, 9. Fe­bru­ar 1923

 

 

Bismarckschule Elmshorn

Pro­to­kol­le der Sit­zun­gen des Leh­rer­kol­le­gi­ums

 

Band 1

1921-1933

 

Fuß­no­te 2

Hier: Aus­zü­ge 1922/​23

 

Dringende Sonderkonferenz am Dienstag, den 27. Juni 1922, 10 3/4 Uhr.

 betr. das Her­un­ter­ho­len der neu­en Reichs­fah­ne von dem Mast vor der An­stalt.

An­we­send sind sämt­li­che Her­ren des Kol­le­gi­ums. au­ßer den be­ur­laub­ten Stu­di­en­rä­ten Reitz u. Schramm

In der 2. Pau­se ha­ben 3 Se­kun­da­ner die an­läß­lich der Be­er­di­gung Ra­then­aus auf Halb­mast ge­hiß­te Reichs­fah­ne her­un­ter­ge­holt.

Es wur­den ver­hört:

Holst O II:

Wie seid ihr dazu ge­kom­men, euch an der Fah­ne zu ver­grei­fen?

Die Schü­ler ha­ben an­ge­nom­men, daß auf Ver­an­las­sung des Stud. Rat Möl­ler die Fah­ne auf­ge­zo­gen wur­de. Pe­ter­sen, Breck­woldt, Holst, Stre­cker Brun­ner u. Wie­se hät­ten nun die Fah­ne her­un­ter­ge­holt. Ei­ni­ge Schü­ler (u.a. Stre­cker) hät­ten ge­warnt, die Flag­ge doch wie­der her­auf­zu­zie­hen. Die Äuße­rung, daß St. R. Möl­ler die Fah­ne in die An­stalt ge­bracht habe, will er von ei­nem jün­ge­ren Schü­ler ge­hört ha­ben

Pe­ter­sen U IIr:

Die Schü­ler sag­ten, sie woll­ten kei­ne re­pu­bli­ka­ni­schen Fah­nen an der An­stalt ha­ben. Die Flag­ge wäre Ei­gen­tum der Schu­le, eine Bis­marck­schu­le kön­ne die neue Flag­ge nicht dul­den. So hät­ten sie an­ge­fan­gen, die Fah­ne los­zu­bin­den; 3 ha­ben sich dar­an be­tei­ligt; die Fah­ne fiel zu Bo­den; die Schü­ler rie­fen „Bra­vo” dazu.

Stud. Rat. Möl­ler habe die Fah­ne in die Schu­le ge­bracht. Das Be­tre­ten der Fah­ne mit Fü­ßen gibt er zu, ist aber durch das Klin­gel­zei­chen zur Eile ver­an­laßt wor­den. Nach Aus­sa­gen des Kol­le­gen Schulz will aber Leh­rer Ot­tens an­de­res ge­se­hen ha­ben.

Holst:

hat auch nicht ge­se­hen, daß die Flag­ge mit Fü­ßen ge­tre­ten wor­den ist.

Breck­woldt U IIr:

gibt zu, daß er die Flag­ge mit her­un­ter­ge­holt hat, aber mit den Fü­ßen will er sie nicht ge­tre­ten ha­ben.

Stre­cker O IIrg:

(er scheint der Ru­higs­te und Ver­stän­digs­te zu sein u. gibt eine ob­jek­ti­ve Dar­stel­lung des Vor­fal­les): Die Schü­ler stan­den in der Pau­se am Hof­git­ter, sie woll­ten sich die neue Fah­ne an­se­hen, und „dann muß­te sie her­un­ter”, wie man sag­te, weil

  1. St.Rat Möller sie hätte aufhängen lassen und
  2. eine Bismarckschule diese Fahne nicht dulden dürfe. Daß eine Beleidigung der Republik beabsichtigt worden sei, glaubt er nicht.

Es sei

  1. aus Oppositionslust gegen St.Rat Möller und
  2. gegen die Farben der Republik gerichtet.

Stud. Rat Sey­del bzw. Ass. Vol­lert be­mer­ken, daß Schü­ler an­de­rer Klas­sen den Vor­gang ge­se­hen bzw. Hur­ra ge­schrie­hen ha­ben,

Der Di­rek­tor glaubt, daß es sich in ers­ter Li­nie um ei­nen Dum­men­jun­gen­streich han­delt. Kol­le­ge Schulz faßt die Sa­che wei­ter auf und be­tont, daß die Tat sym­bo­lisch zu ver­ste­hen ist; er schließt sich der An­sicht des Kol­le­gen Möl­ler an, daß die Schü­ler die Be­deu­tung des Halb­mast­flag­gens ken­nen und re­spek­tie­ren muß­ten.

Koll. Sey­del will den An­griff auf ei­nen ein­zel­nen Leh­rer zu­rück­ge­wie­sen wis­sen.

Zur Er­mitt­lung des Tat­be­stan­des muß erst die wich­ti­ge Fra­ge, ob die Fah­ne ab­sicht­lich ge­tre­ten ist, rich­tig ge­stellt wer­den. Stud. Rat Humpf u. Ass. Vol­lert ha­ben von ih­ren sämt­li­chen Schü­lern, die Zeu­gen wa­ren, er­fah­ren, daß die Flag­ge nicht ge­tre­ten wor­den ist.

Leh­rer Ot­tens von der be­nach­bar­ten Volks­schu­le kommt per­sön­lich in die Kon­fe­renz und er­klärt, er habe dem Koll. Schulz nichts da­von ge­sagt, daß die Fah­ne mit Fü­ßen ge­tre­ten wur­de.

Nun­mehr stim­men die Aus­sa­gen des Herrn Ot­tens mit de­nen der Schü­ler über­ein.

Stud. Rat Möl­ler be­merkt, daß – was die Tat hät­te ver­hin­dern kön­nen – näm­lich ein Ver­traut­ma­chen der Schü­ler un­se­rer An­stalt mit der re­pu­bli­ka­ni­schen Fah­ne und der Ver­fas­sung von Wei­mar über­haupt un­ter­blie­ben ist; hier­für sprä­che auch der Um­stand, daß der Di­rek­tor sich für be­rech­tigt ge­hal­ten habe, aus den den ab­ge­hen­den Schü­lern aus­ge­hän­dig­ten Ge­schenk­ex­em­pla­ren der neu­en Reichs­ver­fas­sung die Ein­lei­tung her­aus­zu­schnei­den und sie so ver­stüm­melt als Ge­schenk des Rei­ches aus­zu­hän­di­gen. Der Di­rek­tor ant­wor­tet hier­auf, daß er sich dazu nicht nur für be­rech­tigt, son­dern ver­pflich­tet hal­te, weil par­tei­po­li­ti­sche Be­ein­flus­sung der Schü­ler ver­bo­ten sei.

Über das Straf­maß: Alle 3 Schü­ler sind gleich zu be­stra­fen und zwar

  1. wegen Übertretung der Schulordnung und
  2. wegen des Protestes gegen die Farben der Republik.

 

 

Stud.Rat De­ne­ken be­an­tragt 2 Stun­den Ar­rest; Ober­stu­di­en­rat Rü­sch­mann ist für die An­dro­hung der Ver­wei­sung von der An­stalt.

St.Rat Humpf schliesst sich dem an und be­trach­tet die Sa­che auch als eine po­li­ti­sche De­mons­tra­ti­on, eben­so die Kol­le­gen Ull­rich und Möl­ler. Stud.Rat Sey­del be­an­tragt gleich­zei­ti­ge Be­kannt­ma­chung des Ur­teils vor ver­sam­mel­ten Schü­lern.

Es wird als Stra­fe fest­ge­setzt für Pe­ter­sen, Holst und Breck­woldt: Die An­dro­hung der Ver­wei­sung von der An­stalt.

Die­ser Be­schluß wird so­fort dem in der Aula ver­sam­mel­ten Schü­lern vom Di­rek­tor mit­ge­teilt.

Da der Lehr­kör­per aus den Äuße­run­gen der Schü­ler den Ein­druck ge­winnt, daß die­se sich der Trag­wei­te ih­rer Hand­lung

nicht be­wußt ge­we­sen sind, sieht er von der Ver­hän­gung der schwers­ten Stra­fe, der Ver­wei­sung ab.

Der Schü­ler Stre­cker äu­ßert auf noch­ma­li­ges Be­fra­gen, daß das Her­un­ter­ho­len der Flag­ge auch mit in dem Ärger be­grün­det sei dar­über, daß am Ab­tre­tungs­tag Ober­schle­si­ens nicht ge­pflaggt sei, heu­te da­ge­gen wohl.

 

 

…………………

 

Fuß­no­te 4

Dringende allgemeine Lehrerkonferenz am Freitag dem 9. Februar 1923

 An­we­send sind die Her­ren des Kol­le­gi­ums mit Aus­nah­me der be­ur­laub­ten StR Sey­del u. StAss. Müs­sel.

 

  1. I) Mitteilungen durch den Direktor
  2. a) Mitteilg. d. Magistrats d. Stadt Pinneberg, betr. Prüfungen an der Mittelschule in Pinneberg
  3. b) Mittlg. d. Magistrats d. Stadt Elmshorn, betr. Reinigung der in der Turnhalle liegenden Matten durch den Spielverein „Holsatia“
  4. c) Anfrage des allgemeinen empfohlenen Rezitators Schwamborn, ob er demnächst einen Rezitationsvortrag an der Bismarckschule halten könne. Das Kollegium ist für einen Vortrag
  5. d) Anmeldung von 4 Schülerinnen des Lyzeums für den Eintritt in d. Bismarckschule zu Ostern 1923
  6. e) Verfg. d. Prov. Sch.K. vom 31.I.23 betr. Angabe d. Größe der Turnabteilungen in den Jahresberichten
  7. f) Der Direktor macht bekannt, daß für den Jahresbericht vom Schulschreiber Listen angefertigt sind, in die die Herren die notwendigen Angaben betr. gelesener Lektüre, angefertigter Arbeiten etc in möglichst leserlicher Schrift eintragen wollen.
  8. g) Verfg. d. Pr. Sch. K. vom 31.I.23 betr. Anschaffung von Büchern für pädagogische Seminare durch Austausch von Büchern
  9. h) Pr. Sch.K. vom 1. II. 23 betr. Hinweis der Schüler auf den handwerklichen Beruf

 

  1. Disziplinarfall wegen dem Untersekundaner Breckwoldt.

Dazu ist ein ste­no­gra­phi­scher Be­richt nie­der­ge­schrie­ben, der den Dis­zi­pli­nar­ak­ten zu­ge­fügt ist.

Kur­zer Aus­zug aus die­sem Be­richt:

Koll. Reitz, als Klas­sen­leh­rer der Un­ter­se­kun­da, macht die Kon­fe­renz mit dem Fall be­kannt.

Am Abend des Don­ners­tags d. 1. II. ge­gen 10 h nach dem Tur­nen des Schü­ler­turn­ver­eins „Bis­marck“ sind die Un­ter­pri­ma­ner Ru­pell, Schlaak, Stu­ben­rauch und Ben­di­xen, der Ober­pri­ma­ner Wag­ler und der Un­ter­se­kun­da­ner Breck­woldt in die Gast­wirt­schaft von Fehrs ge­gan­gen und ha­ben dort bis kurz vor 11 h ge­trun­ken. Durch den Ge­nuss von zu­sam­men­ge­gos­se­nem Grog und Bier ist Breck­woldt bald so be­trun­ken ge­we­sen, daß er kurz nach dem Ver­las­sen des Lo­kals voll­kom­men zu­sam­men­ge­bro­chen und dann um 1 1/​2 h  nachts  im be­wußt­lo­sen Zu­stand von den Pri­ma­nern in sei­ner Pen­si­on ab­ge­lie­fert ist.

Breck­woldt schil­dert, wie nach­her durch die Aus­sa­ge der Pri­ma­ner fest­ge­stellt wird, den Ver­lauf des Abends wahr­heits­ge­treu. Ihm ist da­nach zu­erst ein Glas mit dem Ge­misch von Grog u. Bier von Stu­ben­rauch zu­ge­scho­ben wor­den, das er dann aus­ge­trun­ken hat. Zu­sam­men­ge­gos­sen sind die­se Ge­trän­ke von dem Un­ter­pri­ma­ner Ben­di­xen, der das Ge­misch dann zu­nächst  dem Un­ter­pri­ma­ner Stu­ben­rauch zum Trin­ken vor­ge­setzt hat. Die­ser hat es dann an Breck­woldt wei­ter­ge­reicht. Spä­ter hat Br. noch ver­schie­de­ne Glä­ser die­ses Ge­mischs ge­trun­ken.

Die Pri­ma­ner, mit Aus­nah­me von Ben­di­xen, be­stä­ti­gen, nach­dem sie sich zu­nächst, viel­leicht aus Klas­sen­geist, in klei­ne­re Wi­der­sprü­che ver­wi­ckelt ha­ben, die Aus­sa­gen Breck­woldts.

Es kam vor al­len Din­gen dar­auf an, zu er­fah­ren, wer die An­re­gung zum Zu­sam­men­gie­ßen der bei­den Ge­trän­ke ge­ge­ben und sie dann auch zu­erst zu­sam­men ge­gos­sen hat­te. Ein­wand­frei fest­ge­stellt wur­de also, daß Ben­di­xen der Ur­he­ber ge­we­sen ist.

Ben­di­xen, der gleich den an­de­ren Pri­ma­nern nur we­nig ge­trun­ken hat, will von der gan­zen An­ge­le­gen­heit nichts Ge­nau­es mehr wis­sen. Er gibt zu, dass das, was sei­ne Klas­sen­ka­me­ra­den an­ge­ge­ben ha­ben, wohl stim­men kann. Im all­ge­mei­nem macht Ben­di­xen nach sei­nen Aus­sa­gen ei­nen recht schlech­ten Ein­druck. Sei­ne Aus­sa­gen klin­gen recht we­nig glaub­wür­dig, dazu kommt, daß nach An­ga­be des Kol­le­gen Ober­hoff von Ben­di­xen ge­äu­ßert sein soll, er wür­de vor der Kon­fe­renz al­les ab­leug­nen.

Für Breck­woldt, der sich bei die­sem Ge­la­ge an­schei­nend nichts ge­dacht hat, kommt strafer­schwe­rend in Be­tracht, daß er we­gen Be­tei­li­gung am Nie­der­ho­len der Reichs­flag­ge vor dem Schul­ge­bäu­de am Be­er­di­gungs­ta­ge von Ra­then­au mit dem Con­si­li­um abeun­di und et­was spä­ter we­gen ei­nes dum­men Strei­ches mit 2 Stun­den Ar­rest be­straft wor­den ist. An­de­rer­seits wird fest­ge­stellt, daß bei Br. durch­aus kei­ne schwe­ren mo­ra­li­schen Ver­ge­hen vor­lie­gen.

Bei dem Nie­der­ho­len der Flag­ge han­delt es sich um eine un­über­leg­te Hand­lung in ei­ner po­li­tisch hoch be­weg­ten Zeit. Br. ist das Op­fer der un­glück­li­chen po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se ge­wor­den.

Ge­gen Breck­woldt, der kurz vor dem Ab­schlu­ßex­amen steht, wird fol­gen­de Stra­fe aus­ge­spro­chen:

4 Stun­den Ar­rest, in der münd­li­chen Schluß­prü­fung Prü­fung in al­len Fä­chern

Die Pri­ma­ner, au­ßer Ben­di­xen, er­hal­ten we­gen Über­tre­tung der Schul­ord­nung 3 Stun­den Ar­rest.

Ben­di­xen, der be­reits we­gen Ver­kehrs in Lo­ka­len mit Frau­en­be­die­nung und ähn­li­cher Ver­ge­hen mit Ver­wei­sung von ei­ner an­de­ren An­stalt be­straft wor­den ist, er­hält die Stra­fe 4 Stun­den Ar­rest und eine Be­wäh­rungs­frist.

Läßt er sich in die­ser Zeit ir­gend­wel­che Ver­ge­hen ge­gen die Schul­ord­nung, be­son­ders in Hin­sicht auf den Be­such von Wirt­schaf­ten und Rau­chen auf der Stra­ße zu Schul­den kom­men, muß er die An­stalt ver­las­sen.

Ge­nau­es über den Ver­hand­lungs­ver­lauf ist von dem ste­no­gra­phi­schen Be­richt zu ent­neh­men.

 

Bün­te                     Ve­h­ren­kamp

Veröffentlicht von Rudi Arendt am

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