Ari­sie­run­gen in Lu­rup, Ei­delstedt und Garstedt/​Kreis Pin­ne­berg

Das Foto zeigt den Besuch von Prof. Tom Roepers, Urenkel Salomon Bondys, in der virtuellen Luruper Geschichtswerkstatt im Sommer 2014. Von links nach rechts: Rosa Ludwigsen von der Halstenbeker Frauen-Geschichtswerkstatt, Conny Mertens von den Grünen Eimsbüttel, Prof. Tom Roeper und Wolfgang Seibert von der Jüdischen Gemeinde Pinneberg. (Foto: Anke Schulz)
13. April 1939
Fried­richs­hul­der Weg

Sa­lo­mon Bon­dy war ein be­deu­ten­der Grund­be­sit­zer mit ei­nem ca. 50 ha um­fas­sen­den Im­mo­bi­li­en­be­sitz vor al­lem in Lu­rup und Ei­delstedt, dar­un­ter am Fried­richs­hul­der Weg, aber auch in Garstedt (heu­te Nor­der­stedt). Die­se Im­mo­bi­li­en ge­hör­ten zu ei­nem Lu­ru­per An­we­sen und wa­ren so­mit  im Lu­ru­per Grund­buch ver­zeich­net,  ge­hör­ten ge­mäß ei­nes Schrei­bens des Pin­ne­ber­ger Bau­am­tes von 1952 zum Kreis Pin­ne­berg.[1]

Sa­lo­mon Bon­dy war Mit­glied der Hoch­deut­schen Is­rae­li­ten Ge­mein­de Al­to­na. Der am 18.05.1856 ge­bo­re­ne Sa­lo­mon Bon­dy war als jun­ger Mann aus Goltsch in Böh­men nach Ham­burg ge­kom­men. 1888 be­an­trag­te er in der Han­se­stadt eine Ge­wer­be­er­laub­nis. Er war Kauf­mann und führ­te mit sei­ner Fir­ma ‚S. Bon­dy Wa­ren – Kom­mis­si­on‘ ein er­folg­rei­ches Kom­mis­si­ons­ge­schäft für Im­port­zu­cker aus Bra­si­li­en und Mi­ne­ral­öle in der Klei­nen Rei­chen­stra­ße 17- 19 nahe dem Ham­bur­ger Ha­fen.  Am 12.12.1902 er­warb er auf ei­ge­nen An­trag das Ham­bur­gi­sche Bür­ger­recht. Der li­be­ra­le Frei­den­ker Sa­lo­mon Bon­dy, der sich selbst in Sieg­fried um­be­nann­te, hei­ra­te­te die eben­falls aus Böh­men stam­men­de Mary Lau­er. Das Ehe­paar hat­te fünf Kin­der: Max Bon­dy, ge­bo­ren 1892, Nel­ly Bon­dy, ge­bo­ren 1893, die 1894 ge­bo­re­nen Zwil­lin­ge Curt Wer­ner Bon­dy und Wal­ter Karl Bon­dy und Her­bert Fritz Bon­dy, ge­bo­ren 1902.

Der Sohn Wal­ter Karl Bon­dy fiel 1916 im 1. Welt­krieg in Sie­ben­bür­gen. Der Sohn Her­bert Fritz Bon­dy ar­bei­te­te als Che­mi­ker in Eng­land, er ver­starb 1972. Die Kin­der Sa­lo­mon Bon­d­ys wa­ren wie ihre El­tern sehr in­ter­es­siert an kul­tu­rel­len, vor al­lem aber an so­zi­al­wis­sen­schaft­li­chen, an päd­ago­gi­schen und psy­cho­lo­gi­schen Zu­sam­men­hän­gen. Die Fa­mi­lie zog von der Ham­bur­ger In­nen­stadt um nach Oth­mar­schen  in die Jung­mann­stra­ße, die von den jü­di­schen Ar­chi­tek­ten Hans und Os­kar Ger­son er­rich­te­ten Vil­len­ge­bäu­de sind heu­te un­ter Denk­mal­schutz ste­hen­de Zeug­nis­se des Back­stein­bau­stils der Ham­bur­ger Schu­le.

Max Bon­dy war zu­sam­men mit sei­ner Frau Ger­trud ei­ner der Pio­nie­re der Re­form­schul­be­we­gung in Deutsch­land, sie grün­de­ten 1923 die Re­form­schu­le in Ma­ri­enau/​Kreis Dah­len­burg in Nie­der­sach­sen. Curt Bon­dy war Pro­fes­sor der Psy­cho­lo­gie, Schü­ler von Wil­helm Stern, hat­te Lehr­auf­trä­ge in Ham­burg und Göt­tin­gen. Nel­ly Bon­dy hei­ra­te­te den Ham­bur­ger Rechts­an­walt Man­fred Za­dik. Nach dem Tod Sa­lo­mon Bon­d­ys 1932 ge­hör­ten die Ge­schwis­ter und ihre Ehe­part­ner ge­mein­sam mit ih­rem in Eng­land le­ben­den Bru­der Fritz zur Er­ben­ge­mein­schaft Sa­lo­mon Bon­d­ys.

Nach der Macht­über­tra­gung an die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­gan­nen mit dem Boy­kott jü­di­scher Ge­schäf­te im April 1933 die Re­pres­sa­li­en ge­gen die Mit­glie­der der Er­ben­ge­mein­schaft.

Mit dem „Ge­setz zur Wie­der­her­stel­lung des Be­rufs­be­am­ten­tums“ vom 7. April 1933 ver­lor Curt Bon­dy sei­ne Pro­fes­sur in Göt­tin­gen, Man­fred Za­dik er­teil­ten die Na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Be­hör­den, wie al­len  jü­di­schen Rechts­an­wäl­ten, zum 30. No­vem­ber 1938 Be­rufs­ver­bot. 1937 ver­bot die Ge­sta­po Max und Ger­trud Bon­dy, die Schu­le Ma­ri­enau  wei­ter­hin zu be­trei­ben. Sie flo­hen über die Schweiz in die USA. Man­fred und Nel­ly Za­dik flo­hen über Gua­te­ma­la in die USA. Curt Bon­dy grün­de­te im Auf­trag der  Reichs­ver­tre­tung deut­scher Ju­den in Groß-Bree­sen ein Schu­lungs­zen­trum für jü­di­sche Ju­gend­li­che. Groß-Bree­sen ge­hör­te da­mit zu den vie­len For­men des jü­di­schen Wi­der­stands ge­gen die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten. Zu­sam­men mit sei­nen Schü­lern wur­de er nach  Bu­chen­wald de­por­tiert. In­ter­na­tio­na­ler Pro­test von Kul­tur­schaf­fen­den welt­weit führ­ten zu sei­ner Be­frei­ung, er konn­te nach Eng­land flie­hen und dann in die USA.

Das ge­sam­te Ver­mö­gen der Er­ben­ge­mein­schaft, dar­un­ter auch die etwa 50 ha Im­mo­bi­li­en­be­sitz in Al­to­na und Pin­ne­berg, be­schlag­nahm­ten und ent­eig­ne­ten die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Be­hör­den. Bis 1938 ver­kauf­te die Er­ben­ge­mein­schaft zahl­rei­che Im­mo­bi­li­en weit un­ter Wert, er­folgt un­ter dem Druck der sich ste­tig ver­schär­fen­den staat­li­chen Ver­fol­gung und der exis­ten­ti­el­len Be­dro­hung.

Ab April 1939 er­hiel­ten alle Po­li­zei­dienst­stel­len, die Ge­sta­po und die Steu­er­fahn­dungs­stel­len Mel­dung über die Fa­mi­li­en Bon­dy und Za­dik. Da­mit wa­ren die Fa­mi­li­en im ge­sam­ten Deut­schen Reich der Per­so­nen­fahn­dung aus­ge­setzt, sie ver­lo­ren da­mit das freie Auf­ent­halts­be­stim­mungs­recht. Die Be­hör­den ga­ben an, sie hät­ten Kennt­nis dar­über er­hal­ten, dass die Fa­mi­li­en aus­wan­dern woll­ten, und be­schlag­nahm­ten alle Ver­mö­gens­wer­te. Zu­nächst er­hielt Man­fred Za­dik eine so­ge­nann­te ‚Si­che­rungs­an­ord­nung. ‘ Das be­traf auch den Im­mo­bi­li­en­be­sitz. die Im­mo­bi­li­en der Er­ben­ge­mein­schaft Bon­dy fie­len an die  Ham­bur­ger Grund­stücks-Ver­wal­tungs­ge­sell­schaft von 1938 mbH. 1940 er­hielt die Han­se­stadt Ham­burg 18 ha, wei­te­re 18 ha der Lu­ru­per Orts­bau­ern­füh­rer Hin­rich La­di­ges, dar­un­ter auch die Im­mo­bi­li­en in Garstedt. [2]

 Das Geld für die ver­kauf­ten Grund­stü­cke ging auf ein Sperr­kon­to der De­vi­sen­stel­le, hin­zu ka­men Steu­ern und Son­der­ab­ga­ben wie die Ju­den­ver­mö­gens­ab­ga­be. Die Fa­mi­li­en Bon­dy und Za­dik hat­ten kei­ner­lei Ver­mö­gen mehr, als sie über die Schweiz oder Gua­te­ma­la in die USA emi­grier­ten.

In den 1950er Jah­ren führ­te der Rechts­an­walt Her­bert Par­do lang­jäh­ri­ge Ver­hand­lun­gen über Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen mit den Ämtern für Wie­der­gut­ma­chung in Ham­burg und It­ze­hoe. Die Be­hör­den be­wil­lig­ten Ent­schä­di­gungs­zah­lun­gen für den Scha­den am be­ruf­li­chen Fort­kom­men, für die 50 ha Im­mo­bi­li­en kam es 1959 zu ei­nem Wie­der­gut­ma­chungs­be­schluss von 5291 DM. Die Ham­bur­ger Wi­der­gut­ma­chungs­be­hör­de hat­te ge­gen ei­nen we­sent­lich hö­he­ren Ver­gleich von 1952 mit dem Al­tona­er Ma­gis­trat Wi­der­spruch ein­ge­legt mit dem Ar­gu­ment, die re­le­van­ten Ak­ten sei­en ver­schol­len. Die Wie­der­gut­ma­chungs­be­hör­de in It­ze­hoe be­trach­te­te sich als nicht zu­stän­dig und reich­te die Ak­ten über die Im­mo­bi­li­en in Garstedt nach Ham­burg wei­ter. [3]

Max und Ger­trud Bon­dy ver­such­ten nach dem Krieg  ver­geb­lich, ihre ge­lieb­te Schu­le in Ma­ri­enau zu­rück­zu­be­kom­men. Da sie mitt­ler­wei­le US-Bür­ger ge­wor­den wa­ren, war ih­nen der Be­sitz von Im­mo­bi­li­en in Deutsch­land ver­wehrt. Sie grün­de­ten in den USA eine neue Re­form­schu­le, die Wind­sor Moun­tain School. Max Bon­dy ver­starb 1951. Curt Bon­dy über­nahm nach 1945 die Lei­tung der Fa­kul­tät für Psy­cho­lo­gie an der Ham­bur­ger Uni­ver­si­tät. Er war un­ter an­de­rem Mit­be­grün­der der Er­zie­hungs­be­ra­tungs­stel­len in Deutsch­land. Curt Bon­dy ver­starb 1972. Man­fred Za­dik wur­de Rechts­an­walt in den USA. Er ver­starb 1965, sei­ne Frau Nel­ly 1978.

Lu­rup und Ei­delstedt wa­ren bis 1924 Dör­fer des Krei­ses Pin­ne­berg, im Zuge ei­ner Ge­biets­re­form  ka­men sie da­nach zu Al­tona­er. Mit dem Groß-Ham­burg-Ge­setz von 1937 wan­del­ten sich auch Lu­rup und Ei­delstedt in Ham­bur­ger Stadt­tei­le.  Sie sind nicht nur his­to­risch im­mer noch eng mit dem Kreis Pin­ne­berg ver­bun­den.

Literaturhinweis: Anke Schulz, Lu­ru­per Im­mo­bi­li­en der Er­ben­ge­mein­schaft Sa­lo­mon Bon­d­ys – Do­ku­men­te ei­ner Ent­eig­nung im Nazi – Deutsch­land. Nor­der­stedt, 2013

Primärquellen:

Staats­ar­chiv Ham­burg 351-11 14401

Lan­des­ar­chiv Schles­wig Abt. 352 Kiel Nr. 6132

Veröffentlicht von Anke Schulz am

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