4. Mai 1945: Bokeler Mühle – Quartier des Korps Witthöft zur Errichtung einer Hauptkampflinie – Befehl des „hinhaltenden Widerstands“

Geäudekomplex der Bokeler Mühle. Standort des Kommandos Witthöft zum "hinhaltenden Widerstand" (Bild. R.Arendt)
Bokeler Mühle, Ansichtskarte aus den 1940er Jahren. Der Pavillion exitiert heute noch
Hans Georg von Friedeburg nutzt einen unbeobachteten Zeitpunkt und vergiftet sich am 23. Mai 1945 in einer Toilette des Stützpunktes Flensburg-Mürwik mit Blausäure. (Bild: Imperial War Museum)
Nato-Manöver Bold Guard 1986: Die "alte Verteidigungslinie" Elmshorn-Barmstedt-Alveslohe scheint in den Planspielen der Militärs immer noch eine Rolle zu spielen. Im sumpfigen Gelände des Klein Offensether Hochmoores fuhren sich zwei deutsche Spähpanzer und ein holländischer Bergpanzer fest und konnten erst nach Tagen geborgen weden. (Foto: Sammlung Arendt)
Krückaubrücke bei Barmstedt. Eingebaute Sprengkammern nach 1945 zeugen von der Absicht der Sprengung damals wie heute. (Bild R. Arendt)
Neel-Greve-Straße 2, Bokel-Mühle am See

In der „Bokeler Mühle“ liegt das  Korps Witthöft um auf Befehl Dönitz eine Hauptkampflinie zu halten.

Laut „Befehl des Hamburger Kampfkommandanten“ sollen nach der kampflosen Übergabe Hamburgs die in Verbänden gegliederten Truppenteile wie folgt in Marsch gesetzt werden: „Die 3. Flak-Division über Pinneberg – Elmshorn bzw. Pinneberg – Barmstedt in den Raum Horst – Klein Offenseth – Groß Offenseth – Lutzhorn. Die Marschgruppen der Division Nord und Süd über Quickborn nach Lentföhrden. Nach Eintreffen in Lentföhrden, Meldung (Bahnhof), werden die Marschgruppen der Divisionen Nord und Süd dem Stab Oberst Herpell unterstellt. Ihm wird außerdem eine schwere Batterie der 3. Flak-Division dorthin zugeführt. Die 3. Flak Division und Kampfgruppe Oberst Herpell werden dem Korps Witthöft (Korps-Gef. St. in Bokel) unterstellt.

Es haben sich zum hinhaltenden Widerstand zu gliedern:

Die 3. Flak-Division in der Linie Horst – Klein Offenseth, Groß Offenseth – Lutzhorn unter schwerpunktmäßiger Abwehr  an den von Süden nach Norden führenden Straßen. Die Kampfgruppe Herrpell an der Straßengabel 500 Meter südlich von Lentföhrden.“[1]

Auf der jetztigen B 206 im Segeberger Forst treffen sich der Reichsführer Heinrich Himmler und Reichsminister Albert Speer zu Gesprächen. Anschließend informiert sich Himmler in Bad Bramstedt bei Offizieren des in der Gegend befindlichen A+E Bataillions 12 über die Frontlage.[2]

Dies widerspricht der offiziellen Behauptung von Hitlernachfolger Dönitz, er habe nach seinem Amtsantritt keine Verwendung mehr für Himmler.[3]

Zeitgleich trifft sich am Bilsener Wohld  bei Quickborn eine von Generaladmiral von Friedeburg in vollem Ordensschmuck angeführte Delegation auf eher lässige britische Stabsoffiziere, die ihre Jeeps mit weißen Fahnen kenntlich gemacht haben. Es ist das zweite Treffen nachdem am Tag zuvor von Friedeburg vom Kommandeur der britischen Alliierten Bernard Montgomery zurück nach Flensburg geschickt wurde, weil dieser das deutsche Kapitulationsangebot für nicht ausreichend hielt.[4]

„ …hatte es satt mich dauernd hinhalten zu lassen.“

Nach der Unterschrift unter die Teilkapitulation in Lüneburg, versuchte es die deutsche Wehrmacht erneut mit ihrer Hinhaltetaktik.  Der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte Europa, General Dwight Eisenhower schreibt rückblickend in seinen Memoiren: „Als Admiral Friedeburg am 5. Mai in Reims eintraf, erklärte  er möchte ein Reihe von Punkten klären. Für uns führte mein Chef des Stabes, General Smith, die Verhandlungen. Dieser teilte Friedeburg mit, dass es keinen Sinn habe, über irgendetwas zu debattieren, da wir nur eine bedingungslose, totale Kapitulation entgegennehmen würden. Friedeburg gab vor, er sei nicht ermächtigt, ein solches Dokument zu unterzeichnen…

Uns war klar, daß die Deutschen Zeit gewinnen wollten, um möglichst viele deutsche Soldaten, die noch im Felde standen, hinter unsere Linien bringen zu können. Ich trug General Smith auf, er solle Jodl  sagen, ich würde den Durchgang weiterer deutscher Flüchtlinge unter Gewaltanwendung verhindern, wenn sie nicht augenblicklich mit ihrer Vorspiegelungs- und Verzögerungstaktik aufhörten. Ich hatte es satt mich dauernd hinhalten zu lassen.“ [5]

Durch sehr schwankende Befehle, die z.T. nicht mehr ausgeführt wurden, durch Verweigerungen, durch Auflösungserscheinungen und entgegen der OKW-Order, ist der oben genannten Raum nicht mehr zerstört worden. An Munition, das beweisen Funde bis in die späten 1980er Jahre, mangelte es nicht. Die Skala reicht von Gewehrpatronen über Handgranaten, Gewehrgranaten, Sprenggranaten, Werfermunition bis hin zu Tellerminen, Panzerfäusten, Nebeltöpfen, Raketengranaten.[6]

 

[1] Anmerkungen 6 in: „Die Krückauverteidigungslinie am Ende des II. Weltkrieges“ Jürgen Proll, heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Pinneberg, 1988 S. 214 ff

[2] ebenda

[3] Dönitz: zehn Jahre und zwanzig Tage, S. 436 ff zit. nach Gerhard Paul  „Mai 1945: Das absurde Ende des ´Dritten Reiches`“ Verlag Herder, 2025

[4] Gerhard Paul: „Kapitulation auf Raten, Flensburger Kriegsdiplomatie“, in „Mai 1945: Das absurde Ende des ´Dritten Reiches`“, S.94, Verlag Herder, 2025

[5] „Die Deutschen wollten Zeit gewinnen“ Auszug aus den Memoiren des Oberbefehlshabers der alliierten Streitkräfte, Dwight. D. Eisenhower, abgedruckt in Chronik-Verlag, 1994

[6] Die Krückauverteidigungslinie am Ende des II. Weltkrieges“ Jürgen Proll, heimatkundliches Jahrbuch für den Kreis Pinneberg, 1988

Veröffentlicht von Rudi Arendt am

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