Spurensuche Kreis Pinneberg und Umgebung

Newsletter 4/24

NDR-Zeitreise über Förderverein Spurensuche: Wie Ehrenamtliche NS-Opfern im Kreis Pinneberg eine Stimme geben.

NDR-Zeitreise über Förderverein Spurensuche: Wie Ehrenamtliche NS-Opfern im Kreis Pinneberg eine Stimme geben. Interessierte sind zur weiteren Mitarbeit herzlich eingeladen. Nächstes Treffen: 18. Juni 19.00 Uhr Berufsschule Pinneberg (siehe unten).

8. Mai - Berichte und Veranstaltungen zu Kriegsende und Befreiung vom Nationalsozialismus im Kreis Pinneberg

Die Veranstaltungen, Stadtrundgänge und die mit ihr verbundene lokalhistorische Aufarbeitung der NS-Zeit haben in diesem Jahr im Kreis Pinneberg weiter an Umfang und Interesse zu genommen. Eine Auswahl findet Ihr in diesem Newsletter. Auf einigen Veranstaltungen wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass der 8. Mai als gesetzlicher Feiertag in anderen europäischen Ländern durchaus gilt.

4. Mai "Tag der Befreiung in Elmshorn"

Die Auftaktkundgebung zum „Tag der Befreiung“ eröffneten am Sonnabend, dem 4. Mai nach dem Läuten der Glocken von der Nikolai-Kirche Dr. Jürgen Brüggemann (VVN/BdA) und Britta Stender (Pastorin), sowie der kulturelle Beitrag von Anna Haentjens mit SchülerInnen.
An dem Stadtrundgang und Fahrradkorso nahmen dann 35 Menschen teil. Informiert wurde am Torhaus zu den Stolpersteinen der Roma und Sinti-Familie Winterstein, auf dem jüdischen Friedhof zu den Gräbern der ehemaligen Jüdischen Gemeinde, am Gedenkstein der Verfolgten des NS-Regimes vor dem Rathaus.
Auf der Fahrradtour ging es u.a. über die Norderstraße zu den Stolpersteinen der Familie Stoppelmann, über den Reinhold-Jürgensen-Platz, dem schon 1934 ermordeten ehemaligen Reichstagstabgeordneten der KPD, auch zu den Orten ehemaliger Zwangsarbeiterlager und den Gedenktafeln in der Berliner Straße sowie dem Marine-Nachrichten-Arsenal am Krückauufer. Im Bereich des neuen Rathauses wurde auf die zukünftige Straßenbenennung von Akteuren der Selbstbefreiung Elmshorns aufmerksam gemacht. Auf der Abschlusskundgebung sprach der Schauspieler Rolf Becker.
Auf dem Stadtrundgang im letzten Jahr sprach die inzwischen verstorbene Marianne Wilke am Gedenkstein vor dem Rathaus.

Stadtrundgang in Tornesch gut besucht

Am 8. Mai 2024 trafen sich 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Gedenktag zum Kriegsende zu einem Rundgang zur NS- und Kriegszeit in Tornesch. Die Stadtarchivarin Annette Schlapkohl führte zu vielen verschiedenen Orten im Stadtgebiet, darunter zum Stolperstein, und berichtete zu Beginn über die Arisierung des jüdischen Betriebes der ehemaligen Brennerei und über die Zwangsarbeit im Ort anhand von Einzelschicksalen. An die Auswirkungen des Krieges wie Bombenopfer, Bunker an den Schulen und tote Soldaten wurde auf dem Tornescher Friedhof erinnert und an die an diesem Tag freigeschaltete Spur zu Henry Dyda. Die Gruppe, darunter zwei Schüler des Geschichtsprofils der örtlichen Schule, waren äußerst interessiert, fragten nach, steuerten eigene Einschätzungen bei. Eine Teilnehmerin äußerte nach dem Rundgang, dass es eine neue Erkenntnis sei, wie weit die Politik in das Leben jedes Einzelnen vor Ort eingegriffen habe, dass man sich nicht entziehen konnte. Nach 2 Stunden und 45 Minuten schloss die Führung an der Erinnerungstafel für das sowjetische Kriegsgefangenenlager im Lindenweg. Nicht alle konnten die ganze Strecke bewältigen, aber das machte gar nichts, die Teilnehmenden verabschiedeten sich unterwegs jeweils mit einem herzlichen Dank.

Auf Spurensuche in Quickborn - Radtour zu NS-Herrschaft, Verfolgung und Befreiung

Etwas zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer fuhren trotz des schlechten Wetters mit dem Fahrrad durch Quickborn. Vom Quickborner Bahnhof startend ging es zunächst zum Nordfriedhof zu den Gräbern der ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangenen. Auf dem Weg zum damaligen Ortszentrum gab es einen Zwischenstopp an dem ehemaligen Haus einer Quickbrornerin, die wegen „verbotenen Umgangs“ mit Kriegsgefangenen inhaftiert war. In der evangelischen Kirche berichtete Jörg Penning über Widerstand gegen die Nationalsozialisten, den es auch in der damals sehr kleinen Landgemeinde gab, als auch über das Verhältnis des Pastors Burmesters zum Nationalsozialismus. Anschließend ging es in der Schulstraße vorbei an dem ehemaligen Wohnhaus von Jens Hansen, der von einem Familienangehörigen denunziert wurde und wegen Wehrkraftzersetzung zu einer Zuchthausstrafe verurteilt wurde. Ca. einen halben Kilometer hiervon entfernt lebte der Künstler Wolfgang von Sternenfels. Als psychisch erkrankter Mensch war er in der NS-Zeit von dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses betroffen. Die Grünfläche am Harksheider Weg, auf der im März 1933 Paul Warnecke von Nationalsozialisten erschossen wurde und die 1946 nach dem Namen des NS-Opfers umbenannt wurde, war ein weiterer Anlaufpunkt der Gruppe.
Die Fahrradtour endete in der Heinrich-Lohse-Straße vor dem Stolperstein für das „Euthanasie“-Opfers Martha Weidmann. Abschließend thematisiert wurde hier die zweifelhafte Straßenbenennung nach dem Amtsvorsteher der Ortspolizeibehörde Heinrich Lohse, die 1933 nach der Machtübernahme erfolgte.

Pinneberg - Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus muß Feiertag werden!

Rund 140 BesucherInnen waren am 8. Mai in den Sitzungssaal des Pinneberger Rathauses gekommen, zu der die Initiative 8. Mai und die VVN/BdA eingeladen hatten. Auffälig sei gewesen, dass das Publikum spontan applaudiert habe, als sich die Rednerin und der Redner für Verhandlungen und Deeskalation in den aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen ausgesprochen haben, so Dieter Borchardt von der Initiative 8. Mai. Das Transparent „Krieg ist nie die Lösung“ fasse die Stimmung im Saal gut zusammen. Erfreulicherweise waren auch einige Ratsmitglieder gekommen. Dies werteten die Veranstalter als wichtiges Zeichen. Als Vertreterin der Pinneberger Initiative 8. Mai sagte Sandra Hollm in ihrer Rede: „In einer Zeit, in der mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 aus dem seit 2014 schwelenden blutigen Konflikt wieder ein Krieg in Europa angekommen ist, in einer Zeit, in der der Nahost-Konflikt, ausgelöst, ausgelöst durch den schrecklichen Terroranschlag der Hamas auf Israel, wieder Tausende Opfer fordert, in einer Zeit, in der weltweit wieder aufgerüstet wird und der Umfang der Waffenexporte steigt, müssen wir uns bewusst machen, dass Krieg niemals eine Lösung ist, sondern immer nur neues leid und Traumata schafft.“
Jens Wilke, Vertreter der VVN-BdA im Kreis Pinnneberg appellierte in seiner Ansprache: „Lasst uns weiter eintreten für Frieden, gegen Antisemitismus und Rassismus in jeglicher Form. Auc das ist ein Vermächtnis de 8. Mai.“
Für die musikalische Untermalung sorgten die Grenzgänger mit Liedern gegen Krieg, für Frieden, Demokratie und Menschenrechte. Zum Abschluss der Veranstaltung wurden 79 Nelken vor dem VVN-Denkmal am Rathaus in Pinneberg zum 79. Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus gelegt.
Quelle: Pinneberger Tageblatt 10.05.2024

Quickborn - Erhalt des Grabsteins der Widerstands-kämpferin Alwine Pernack!

Der von der ev.-luth. Kirchengemeinde Quickborn betrieben Nordfriedhof wird aufgelöst. Fast alle Gräber sind bereits von der Friedhofsverwaltung aufgelöst worden, darunter auch das Grab der Familie Pernack. Das ist sehr bedauerlich, denn in dem 2013 veröffentlichten Spuren-Beitrag über die Lebensgeschichte und den Verfolgungshintergrund von Alwine Pernack wurde bereits der Wunsch genannt, dieses Grab zu erhalten.
Der Grabstein war ein Anlaufpunkt der jährlich stattfindenden Stadtrundgänge zu den Themen NS-Herrschaft, Verfolgung und Kriegsende unseres Mitglieds Jörg Penning gewesen.
Das Grab ist erhaltenswürdig, da es ein Zeitzeugnis aus der Nachkriegszeit darstellt. In dem Grab wurde im März 1945 Johann Pernack und im August 1950 seine Frau Alwine Pernack beigesetzt. Inhaber des Grabes war nach dem Grabregister Julius Stubbe bzw. die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).
Julius Stubbe war der Verantwortliche für die Betreuungsstelle Quickborn des Komitees ehemaliger politischer Gefangener, aus der 1947 die VVN hervorging. Eine Zentrale dieses Komitees für den norddeutschen Raum befand sich in Hamburg mit mehr als 250 Mitarbeitern. Das Komitee vermittelte Wohnraum sowie Arbeitsstellen und verteilte Lebensmittel und Kleidung an ehemals NS-Verfolgte und Hinterbliebene. Daneben beteiligte sich das Komitee an der Ermittlung gegen NS-Verbrechen, unterstützte in Wiedergutmachungsverfahren und organisierte Gedenkfeiern.
Dass die VVN die Grabstelle des Ehepaares Pernack übernahm und hierfür finanziell aufkam, ist ein Ausdruck der Solidarität und Unterstützung für NS-Verfolgte, die oftmals selbst mittellos waren.
Wie noch am 6. Mai 2024 zu sehen war, ist das Grab des Ehepaares Pernack zwar aufgehoben, der Grabstein aber noch vorhanden. Die Friedhofsverwaltung wurde daher darum gebeten, den Grabstein nicht zu entsorgen, sonder zu sichern und wieder aufzustellen, wie es auch mit anderen Grabsteinen bekannter Quickborner gemacht wurde.

Quickborn - Paul-Warnecke-Platz

Bereits 2014 wurde darauf hingewiesen, dass die zwischen den Bahngleisen, dem Harksheider Weg und der Querstraße gelegene Grünfläche 1946 einstimmig von dem damaligen Gemeinderat in „Paul-Warnecke-Platz“ umbenannt wurde, was später in Vergessenheit geriet. Gedacht werden sollte damit dem dort am 5. März 1933 von Nationalsozialisten erschossenen Paul Warnecke. Zu einer Rückbenennung des Platzes kam es jedoch nicht. Die Quickborner Ratsversammlung entschied sich mehrheitlich dagegen (siehe Bericht hier).
2024 nahmen die Grünen in Anlehnung an die politischen Diskussionen von vor zehn Jahren das Anliegen erneut auf und stellten einen entsprechenden Antrag.
Auf der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Freizeit wird am Donnerstag, den 6. Juni 2024 um 19:00 Uhr das Thema noch einmal behandelt. Die öffentliche Ausschussitzung findet statt im Raum „Himmelmoor“ im Sitzungstrakt des Rathauses Quickborn.
Es wäre zu wünschen, wenn die Kommunalpolitik nach 79 Jahren Kriegsende den Mut findet, einen öffentlichen Bereich nach einem Quickborner NS-Opfer zu benennen und den Grünbereich offiziell den Namen „Paul-Warnecke-Platz“ gibt.

Neue Spuren seit dem 8. Mai auf unserer Website

Anläßlich des Gedenktages zu Kriegsende und Befreiung in Schleswig-Holstein haben wir auf unserer Website am 8. Mai vier neu erarbeitete Spuren freigeschaltet.
Antisemitismus: Die Ausschaltung und "Arisierung" der Firma Max Meyer und das Parteiaussschlußverfahren gegen Geschäftspartner Paul Heller
Verfolgung: in Elmshorn. Die Hinweistafel am Rathaus verweist auf die "Arisierung"
Elmshorner Geschäfte und Unternehmen jüdischer Mitbürger durch den NS-Staat. Die Spur veranschaulicht, wie dieses durch Denunzation und Repression durchgesetzt wurde. Hier geht es zur Spur
Täterforschung in Pinneberg und Elmshorn:
Anhand der Akte des Entnazifierungsausschusses des Landes werden die dem stellvertretenden Bürgermeister Pinnebergs, Kriminalsekretär und Elmshorner SS-Untersturmführer Heinrich Kobarg zur Last gelegten "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" nachgezeichnet.
Hier geht es zur Spur
Elmshorn: Germanenmythos - NS-Kunst oder nur eine Galionsfigur?
Die vom NS-Illustrator Wilhelm Petersen 1969 geschaffene Galionsfigur für den Flora-Brunnen hängt seit seinem Abriss an der Rückseite der Volksbank Elmshorn, dem damaligen Auftraggeber. Die Spur versucht der Frage nachzugehen, was diese Figur wirklich mit dem Elmshorner Walfänger zu tun hat und welche Motive sein Urheber womöglich hatte.
Hier geht es zur Spur
Tornesch: Henry Dyda (18.02.1945–11.03.1945) – ein Säugling ohne Zukunft
Henry Dyda, das Kind einer Zwangsarbeiterin wurde im Februar 1945 im Krankenhaus Uetersen geboren und verstarb nach nur drei Wochen an "Herzschwäche". Der tote ungetaufte Säugling der katholischen Mutter wurde auf dem Tornescher Friedhof "still", d.h. ohne Begleitung beigesetzt.
Hier geht es zur Spur.

Mitmachen - engagieren - erinnern

Sie interessieren sich für die lokale und regionale Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus und die Erinnerungskultur im Kreis Pinneberg? Dann kommen Sie zu unserem nächsten Treffen:
Dienstag, 18. Juni 2024, 19 Uhr im Konferenzraum der Beruflichen Schule, An der Berufsschule 1 in Pinneberg.
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