Helmut Klute – Sozialdemokrat und Bürgermeister von Friedrichsgabe

Villa Klute in der Quickborner Straße, um 1920, 2. v. l. Helmut Klute (Foto: Sammlung Eckhard Wallmann)
20. April 1933
Quickborner Straße 107, Friedrichsgabe / Norderstedt

Auf dem heutigen Grundstück der Quickborner Straße Nr. 107 hatte der frühere Bürgermeister Helmut Klute einst in seinem Haus gelebt.[1] Klute wurde am 13. Oktober 1877 in Altona geboren und hatte sich als junger Erwachsener im Jahr 1896 der SPD angeschlossen. 1920 kaufte er sich in Friedrichsgabe ein Grundstück und zog hierher.[2] Ab 1929 war er in der kleinen, 900 Einwohner zählenden Gemeinde ehrenamtlicher Gemeindevorsteher.[3] Hauptberuflich war er in Hamburg bei den „Hamburger Nachrichten“ als Setzer beschäftigt.[4]

Nach der Machtübernahme durch die NSDAP blieb er bis zu den neuangesetzten Kommunalwahlen im März 1933, bei denen die SPD trotz terroristischer Unterdrückung noch drei Mandate in der Gemeindevertretung erringen konnten, formal Gemeindevorsteher der Gemeinde.[5] Als sozialdemokratischer Bürgermeister war er ein bevorzugtes Ziel nationalsozialistischer Übergriffe. In den Monaten Februar bis Mai 1933 wurden bei ihm insgesamt viermal die Fensterscheiben eingeschmissen und auf sein Haus geschossen. In der Nachkriegszeit erinnerte er sich im Rahmen des Spruchgerichtsverfahrens gegen den einstigen SS-Mann Johannes Neels: „Im Februar 1933 marschierte die Bönningstedter SS vor meinem Hause auf, es wurden sodann Steine gegen das Haus geschleudert, wobei etwa 1 Dutzend Fensterscheiben in Trümmern gingen und auch Gardinen beschädigt wurden.[6] Über einen anderen Vorfall sagte er aus: „Im April 1933 am Abend nach der Gemeindewahl hielt vor meinem Hause ein Kraftwagen. Es wurden einige Pistolenschüsse abgefeuert. Fensterscheiben wurden nicht zerschossen. Ich habe nachher nur festgestellt, dass ich im Gesimse unterhalb des Fensters eine Beschädigung war, die wahrscheinlich von einem Geschosseinschlag herrührte. (…) Ich befand mich an dem Abend in einer ungeheuren Aufregung.[7] Ein weiteres Mal wurde ihm die Fensterscheiben nach einem nächtlichen Fackelmarsch anlässlich des Geburtstags des „Führers“ am 20. April 1933 eingeschlagen. Der letzte Übergriff erfolgte im Mai 1933. Nach einer Parteiversammlung der NSDAP suchten erneut Nationalsozialisten sein Wohnhaus auf und zerschmissen mit Steinen die Fenster.[8] Hintergrund des Hasses waren, neben seiner Zugegehörigkeit zur SPD, seine Auseinandersetzungen mit den Nationalsozialisten vor deren Machtübernahme. So hatte der Gemeindevorsteher Klute einst den NSDAP-Ortsgruppenleiter Karl Lührs wegen Beleidigung angezeigt und eine Verurteilung zu einer Geldstrafe erwirkt.[9] Auch war den Nationalsozialisten in Erinnerung geblieben, dass Klute Kranzschleifen mit Hakenkreuzen entfernte, die die NSDAP Weihnachten 1932 an dem Kriegerdenkmal abgelegt hatten.[10]

Insbesondere Ortsgruppenleiter Karl Lührs versuchte intensiv, Helmut Klute loszuwerden. Im Juni 1933 hatte er dafür gesorgt, dass Klute von der Polizei verhaftet und zum zuständigen Amtsbüro in Quickborn gebracht wurde. Der Amtsvorsteher Heinrich Lohse entließ ihn am gleichen Abend wieder mit der Auflage, sich nach Klutes Nachtschicht erneut im Amtsbüro zu melden.[11]  Diesem kam Klute nicht nach. Letztlich wurde vom Landrat Duvigneau gegen ihn ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen.[12]  Bis zum 15. Oktober 1933 durfte Helmut Klute den Kreis Pinneberg nicht mehr betreten und hielt sich in dieser Zeit im Großbereich Hamburg auf. In der Zwischenzeit hatte der ehemalige Gemeindevorsteher Kenntnis davon erhalten, mtihilfe eines Segelklubs von Kiel nach Dänemark fliehen zu können, um einer befürchteten Verhaftung zu entgehen. Da dieser Segelklub jedoch bereits behördlich aufgelöst wurde, scheiterte dieses Vorhaben.[13]

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Helmut Klute in einem Ermittlungsverfahren gegen Karl Lührs noch weitere Nachstellungen des NSDAP-Ortsgruppenleiters an. Demnach soll Lührs auf seinem persönlichen Betreiben hin die Entlassung von Klute bei seinem Arbeitgeber veranlasst haben. In diesem Zusammenhang soll Lührs wahrheitswidrig behauptet haben, dass der einstige Gemeindevorsteher 17.000 RM unterschlagen habe. In der Kriegszeit folgten darüber hinaus zwei erneute Festnahmen, die jedoch glimpflig verliefen: Im Jahr 1944 hatte Helmut Klute sich in einem Gespräch über das Kriegsgeschehen geäußert, dessen Inhalt an den Ortsgruppenleiter herangetragen wurde. Dieser leitete die Informationen daraufhin an die Gestapo weiter, die Helmut Klute wegen verbotenen Abhörens ausländicher Radiosender kurzfristig festnahm, zwei Radioapparate beschlagnahmte und ihn in der Gestapo-Nebenstelle in Neumünster vernahm.[14] Da sich der Verdacht nicht erhärtete, wurde das Verfahren gegen Helmut Klute zwei Wochen später eingestellt. Eine weitere Beschuldigung folgte nach dem Untergang des Kriegsschiffes Bismarck im Frühjahr 1945. Da Helmut Klute zwischenzeitlich für eine Firma arbeitete, die auf Kriegsschiffen Druckereien einrichtete, und Klute wenige Tage vor dem Untergang der Bismarck auf dem Schiff tätig war, vermutete Lührs hier einen Zusammenhang: Klute habe auf Kriegsschiffen marxistische Zellen gebildet und den Liegeort der Bismarck an den Feind verraten. Er wurde wegen dieser Sache vom Amtsvorsteher Kolz vernommen, dem, obwohl selbst überzeugter Nationalsozialist,  der Verdacht zu abspenstig vorkam, sodass er von weiteren Ermittlungen absah. Dieses führte zu heftigen Missbilligungen des Ortsgruppenleiters, der Kolz in einem Gespräch mit dem NSDAP-Kreisleiter Sievers eine mangelnde Ermittlungsbereitschaft gegen Klute vorwarf.[15]

Nach der Kapitulation und dem Ende des Nationalsozialismus war Helmut Klute in der Gemeinde Friedrichsgabe wieder Bürgermeister. Er blieb dieses bis zu seiner Abwahl nach den Kommunalwahlen im Oktober 1948. Helmut Klute starb am 13. Dezember 1948 mit 71 Jahren.[16]  In Erinnerung an seine Tätigkeit für die Gemeinde Friedrichsgabe wurde eine Straße in „Bürgermeister-Klute-Straße“ benannt.

Veröffentlicht von Jörg Penning am

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