Arthur Sorg (1901-1937), Fabrikarbeiter – von den Nazis verfolgt und in der Haft umgekommen

Todesanzeige Arthur Sorg 1937
Sandweg 14 in Uetersen
Stolperstein Arthur Sorg 2012
3. Februar 1936
Sandweg 14, Uetersen

Angeklagter im sechsten Offenborn-Prozess (Geschäftsnummer 10.0.Js.143.35.F.), Verurteilung am 03.02.1936 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 3 Jahren Zuchthaus, 3 Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit der Polizeiaufsicht. Verlegung des 2. Stolpersteines in Uetersen am 02.03.2012.

 

ARTHUR SORG (1901-1937)

Er wurde in Moorrege geboren und starb in einem Außenlager des KZ Esterwegen: Arthur Sorg, Gewerkschafter und Kommunist, war das Opfer der Verfolgung Andersdenkender durch die Nationalsozialisten. Sorg war 1934 aufgrund von Aussagen, er habe illegale Zeitungen verkauft und an Zusammenkünften von Nazi-Gegnern teilgenommen, verhaftet und zu einer dreijährigen Haft verurteilt worden. Am 3. September 1937 starb er durch Nachlässigkeit des Lagerarztes des Straflagers Aschendorfermoor im Emsland. Seine Familie schrieb in der Todesanzeige: „Du warst so gut, Du starbst so früh, Doch vergessen werden wir dich nie.“

Lebenslauf1:

Arthur Sorg wurde am 17. Januar 1901 in Moorrege als Sohn von Philipp und Bertha Sorg (geb. Röhlke) geboren.

Bis zur Konfirmation besuchte er die Volksschule. Danach arbeitete er in der Landwirtschaft, um mit Vollendung des 18. Lebensjahres eine Arbeit in der Papierfabrik anzunehmen.

Im Jahre 1921 heiratete er Marie Kristen. Die gemeinsame Tochter Margit wurde 1922 geboren.

Zu dieser Zeit lebte er im Sandweg 14 in Uetersen, nahe seiner Arbeitsstelle.

Arthurs Bruder Karl befand sich 1934 ebenfalls in Haft2.

Ihr Vater, der Fabrikarbeiter Phillip Sorg3, war 1933 in Haft gewesen.

Der Mädchenname der Ehefrau war Kristen, eine Verwandte der zwei im Prozess ebenfalls angeklagten und verurteilten Brüder Kristen.

Vernehmungsprotokolle4:

Den Akten der Staatspolizei lässt sich entnehmen, dass Arthur Sorg am 19. Dezember 1934 aufgrund von Aussagen, welche besagen, dass er illegale Zeitungen verkaufte und an illegalen Zusammenkünften teilnahm, verhaftet wurde. Er war zunächst in Elmshorn, später im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert.

In seinen Aussagen vom 19. und 23. Januar 1935 berichtet er, dass er seit 1931 in der KPD war, wo er aber erst seit März 33 die Funktion eines Unterkassierers inne hatte. Eine Zeit lang war er auch Mitglied in der RGO Uetersen5. Nach Sorgs Aussagen zerfiel diese Organisation aber schon nach kurzer Zeit.

Arthur Sorg sagt aus, er habe bis Ende November 1934 den Parteibeitrag von mehreren Leuten kassiert und bis Juni 1934 kommunistische Zeitungen weiter verteilt bzw. verkauft. Einmal bekam er auch Flugblätter und Papierstreifen geliefert.

Weiterhin habe er nach eigenen Aussagen an Parteiversammlungen teilgenommen und sich mehrfach mit anderen in seiner Wohnung zum Radiohören (Moskauer Sender) verabredet. Er nennt auch einige Leute, mit denen er dabei zu tun hatte, die aber ebenfalls in Haft saßen. In einer späteren Vernehmung belastet er einen weiteren Arbeiter6, der daraufhin in Haft genommen wurde.

Laut Protokoll der Staatspolizei wurde Herr Sorg nach seiner Verhaftung zunächst nach Elmshorn gebracht, später dann per Sammeltransport ins KZ Fuhlsbüttel geschafft.

Gerichtsurteil7:

Die Ziele der kommunistischen Partei sind von jeher auf den gewaltsamen Umsturz gerichtet gewesen und daher hochverräterisch.“ (Aus den Akten des 3. Strafsenates des Kammergerichts Berlin in Hamburg).

Der Prozess gegen Arthur Sorg und 10 weitere Personen aus Uetersen fand am 31. Januar, 1. und 3. Februar 1936 statt.

Die Angeklagten dieses Verfahrens gehören zu einer größeren Anzahl von Angeklagten, die im Herbst 1934 im Kreise Pinneberg wegen kommunistischer Betätigung festgenommen“[ wurden]. „ Den Angeklagten wird zur Last gelegt, in Uetersen im Kreise Pinneberg das hochverräterische Unternehmen, die Verfassung des Deutschen Reiches mit Gewalt zu ändern vorbereitet [zu] haben.“

Grundlage bildete der § 83 Abs. 3 StGB in seiner neuen verschärften Fassung. Dieser „stellt die Vorbereitung zum Hochverrat unter erhöhte Strafe, wenn die Tat darauf gerichtet war, eine organisatorischen Zusammenhalt herzustellen oder aufrecht zu erhalten“ (Ziff.1). Im Urteil heißt es weiter, dass nach Ziff. 3 die Verbreitung von Schriften unter erhöhte Strafe gestellt wird, wenn die Tat darauf ausgerichtet war, die Massen zu beeinflussen.

In der rechtlichen Würdigung wird u.a. auf die KPD und ihre Ziele im Allgemeinen eingegangen8 und auf die Organisationsstruktur im Kreis Pinneberg und Hamburg Altona. Auf die Offenborn-Prozesse wird verwiesen.

Die Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen einem und sechs Jahren verurteilt. Arthur Sorg wurde wegen der o.g. Vergehen zu 3 Jahren Zuchthaus und dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte für diese Zeit verurteilt. „Seine Behauptung, er habe im November 1934 sich vom Kommunismus vollkommen abgewandt, er sei auch Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, konnte ihn nicht entlasten.“ Von den über 13 Monaten Untersuchungshaft wurden acht Monate auf die Strafe angerechnet.

Zeitungen:

Arthur Sorg war angeklagt und verhaftet worden, weil er im Kreis Pinneberg illegale Flugblätter und Zeitungen verteilt hatte. Im Vernehmungsprotokoll der Gestapo gibt er an, die Kommunistischen Zeitungen „Solidarität“, „Roter Spiegel“,  „Der Klassengewerkschafter“, und „Leninist“ von Josef Kristen, Karl Jürs und Richard Meyer erhalten sowie weiterverkauft zu haben. Dabei handelte es sich oft nur um rund ein Dutzend Exemplare, da die Verteilung kompliziert war und die Zeitungen teilweise mit einfachen, handbetriebenen Pressen hergestellt wurden. So wurde die Zeitung „Leninist“ mit noch anderen Zeitungen von einem Kurier aus Altona an der Straße Elmshorn-Pinneberg in einem Eimer versteckt, wo sie anschließend von Eingeweihten abgeholt wurden. Eines Tages wurde der Kurier bei dem Verstecken der Zeitungen von einem Bauern beobachtet, der ihn der Gestapo meldete. Nur durch eine Unvorsichtigkeit der Polizei konnten die Elmshorner Genossen gewarnt werden, doch bald darauf wurde die illegale Druckerei entdeckt, so dass keine Zeitungen mehr produziert werden konnten9.

Haft:

Über den Aufenthalt Arthur Sorgs im Lager sowie über die genaue Todesursache liegen keine Dokumente vor.

Arthur Sorg verbüßte nach dem Prozess seine Haft im Emsland. Bringmann/ Dierks schreiben: „Arthur Sorg: Am 3. September 1937 im Straflager Aschendorfer Moor durch Nachlässigkeit des Lagerarztes verstorben.“10 In der Traueranzeige der Witwe und der Tochter wird das Krankenhaus Papenburg als Sterbeort genannt11.

Bereits seit 1933 wurden im Emsland 15 Konzentrations-, Straf- und Kriegsgefangenenlager eingerichtet.

Das Justizgefangenenlager Aschendorfermoor nahe Papenburg war im April 1935 für 1.000 Gefangene aufnahmebereit. Die Häftlinge aus dem gesamten Reich wurden hauptsächlich zu Arbeiten im Moor eingesetzt (Entwässerung, Straßen- und Wegebau, Torfabbau). Sie mussten bei schlechter Verpflegung je nach Jahreszeit zwischen acht bis zehn Stunden täglich im Moor arbeiten.

Ab Juli 1937 bis Mai 1940 zog man alle politischen Gefangenen im Lager Aschendorfermoor zusammen, um sie hier besonders zu „erziehen“. Davon waren insgesamt etwa 2.200 Gefangene betroffen.12 Es erscheint durchaus wahrscheinlich, dass Arthur Sorg seine gesamte Haftzeit im Lager Aschendorfermoor verbracht hat.

Auf dem Uetersener Friedhof befindet sich eine Gedenkplatte für Johann Britten, Arthur Sorg und Wilhelm Vollstedt.

Aufgeschrieben von Robert Brüggemann, Sebastian Steig und Reiner Johannsen mit Unterstützung der Geschichtswerkstatt im Februar 2012.

 

 

1 Weitestgehend nach den Angaben zur Person in den Vernehmungsprotokollen der Staatspolizei

2 Polizeiakten, Blatt 263. Karl wird im Weiteren jedoch nicht mehr genannt.

3 Fritz Bringmann, Herbert Dierks: Die Freiheit lebt, FFM, 1983, S. 123: Philipp Sorg wird hier für die Monate Juni bis Dezember 1933 als Gefangener in Glückstadt, Kuhlen und Esterwegen genannt.

4 Bundesarchiv: Vernehmungsprotokolle der Staatspolizei- Inspektion 6,Hamburg, v.19.1. u. 23.1., Blatt 260-268:.Die erste Seiten der Polizeilichen Vernehmungsprotokolle (S. 260) datieren vom 19. 1. 1935, also genau einen Monat nach seiner Verhaftung. Hier finden sich die Angaben zur Person, d.h. AS wurde wohl erstmals befragt Am 23.1. 35 erfolgte eine zweite Befragung (S. 264)

Laut Protokoll der Staatspolizei wurde AS am 19.12. 1934 verhaftet (S. 260) und zunächst nach Elmshorn gebracht, später dann per Sammeltransport ins KZ Fuhlsbüttel.

5 Die RGO (revolutionäre Gewerkschafts-Opposition) war zunächst eine Untergruppe im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB), später eigenständige Gewerkschaft.. Sie wurde von der KPD gegründet, um innerhalb des ADGB die kommunistischen Anhänger zu organisieren. Die nach der Machtübernahme illegale RGO wurde 1935 zerschlagen.

6 Hermann Behrs, Sandweg 15, Uetersen, wird in den Akten dann nicht weiter genannt.

7 Zitate im Folgenden aus: Akten des 3. Strafsenates des Kammergerichts Berlin in Hamburg, Geschäftsnummer 100 . Js.143.35 F., ausgefertigt 14.3.1936, ergänzt 16.7.1936 Vorsitzender: Senatspräsident Marquart

8 Ziele der KPD, Bewaffnung der Mitglieder,

9 Vernehmungsprotokoll Arthur Sorg, aaO.; Bringmann; Diercks, S. 131

10 Bringmann/ Dierks: aaO. , S. 146

11 Laut Todesanzeige vom 6. September 1937 in den Uetersener Nachrichten

12Text nach: Stiftung Gedenkstätten Esterwegen,

Veröffentlicht von Erhard Vogt am

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